Die entführte Braut: Wenn die Braut sich traut (German Edition)
den sie seit dem vergangenen April erdulden musste, als Dan sie aus seinem Klinikzimmer und aus seinem Leben fortschickte. Mitunter war dieser Schmerz das einzige, was sie daran erinnerte, dass sie noch am Leben war. Zu Beginn hatte sie immer wieder versucht, Dan anzurufen, aber er hatte sich jedes Mal geweigert, mit ihr zu sprechen.
„Es geht mir ganz gut“, sagt sie, senkte den Blick und steckte sich eine Strähne ihres seidigen Haars hinters Ohr. Zum ersten Mal seit der High School trug sie ihr Haar wieder so, wie es von Natur war: glatt, lang und tiefschwarz. Während sie noch über Connies Frage nachdachte, nahm sie im Hintergrund die Dampfpfeife der Viertel-nach-eins-Fähre wahr, kümmerte sich aber nicht weiter darum.
Ihre Gärtnerei hatte im vergangenen Sommer Rekordgeschäfte gemacht, sodass sie drei neue Mitarbeiter einstellen konnte, zwei davon Indianer, von denen der eine ein Experte für traditionelle indianische Kräuter war.
In einem plötzlichen Anfall von überschüssiger Energie hatte sie ihr Häuschen völlig neu dekoriert. Über ihrem Bett hing jetzt ihr ganzer Stolz: eine Yakima-Matte, in die das Bild eines fliegenden Weißkopfseeadlers eingewebt war.
An einem guten Tag war sie sogar in der Lage, ein paar Minuten nacheinander nicht an Dan zu denken. An den meisten Tagen jedoch lebte sie in der Erinnerung an die Zeit, die sie zusammen mit ihm in seinem Hotel verbracht hatte, entsann sich eines jeden Augenblicks und vergoldete sich diese Erinnerungen, bis sie die Patina eines verlorenen Traums annahmen.
Mit den Sohappys war sie in Verbindung geblieben. Sie hatten ihr nur wenig von Dan erzählt, nur dass er zur Rehabilitation in eine Klinik in Olympia gegangen und dann nach einiger Zeit zurückgekommen war. Das Hotel lief gut, was besonders der Weinkellerei zu verdanken war, die als Sponsor des Rennens fungiert hatte. Während der Sommermonate war das Hotel voll ausgebucht gewesen. Mundpropaganda hatte es zu einem beliebten Ziel gemacht.
Von Dan selber hatte sie kein einziges Wort gehört.
Isabel trank ihren Wein aus und versuchte, sich auf das zu konzentrieren, was Lucia ihr erzählte. Da war trotz der lebhaften Unterhaltung auf einmal ein schwaches Brummen zu hören.
Isabel sah sich im Garten des Cafés um. Die meisten Pflanzen dort stammten aus ihrer Gärtnerei. Die Blumenbeete und die Bäume strahlten in bunten Herbstfarben.
Das Brummen wurde immer lauter. Lucia unterbrach ihren Redefluss. Isabel hielt den Atem an. Eine Ahnung wuchs in ihr fast zur Gewissheit. Und dann erschien Dan in der gekiesten Auffahrt zum Gartencafé.
Er war wie die Verkörperung ihrer geheimsten Träume: ganz in schwarzer Ledermontur, mit einem um die Stirn gebundenen Halstuch. Sein langes blauschwarzes Haar wehte im Wind, eine Sonnenbrille mit verspiegelten Gläsern verdeckte seine Augen. Und die Harley unter ihm bockte und wirbelte den Kies auf wie ein wildes Tier.
„Hier kommt Mr Testosteron wieder“, murmelte Connie, als die Maschine den Gartenpfad entlangdonnerte.
Isabel war aufgestanden und hielt starr vor Überraschung ihr Weinglas fest. Der Fahrer hielt abrupt, klappte den Ständer des 750-ccm-Motorrads auf und schlenderte mit langen, lässigen Schritten auf Isabel zu. Nur ein kaum merkbares Hinken erinnerte an den Unfall. Unter seinen schweren, hohen Stiefeln knirschte der Kies des Gartenpfades, und der goldene Ohrring blitzte in der Sonne.
„Diese Art von Déjà-vu-Erlebnis kann ich ganz gut verkraften“, flüsterte Lucia.
Er setzte die Sonnenbrille ab und sah Isabel unverwandt an. Mit seinen dunklen Augen musterte er sie von Kopf bis Fuß, und sie empfand diesen langen Blick wie eine zärtliche Liebkosung, die einen prickelnden Schauer durch ihren ganzen Körper sandte.
Das Weinglas entschlüpfte ihrer Hand, fiel ins Gras und rollte unter den Tisch. „Was machst du denn hier?“, fragte sie ihn.
Er lächelte sie in seiner altgewohnten, herausfordernden Weise an, – mit derselben verheerenden Wirkung wie früher. Isabel bekam weiche Knie und konnte kaum noch klar denken.
Sie fühlte sich noch immer von der Aura verführerischer Gefahr angezogen, die Dan umgab, von der Sinnlichkeit seiner vollen Lippen und von seinem kräftigen Körper, der ebenso gut in Form war wie seine Harley. Der Anblick seiner schmalen Hüften und breiten Schultern weckte Erinnerungen in ihr, bei denen ihr abwechselnd heiß und kalt wurde.
„Ich bin gekommen, um dich zu sehen“, begann er, „und um dir zu sagen,
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