Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Entfuehrten

Titel: Die Entfuehrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Peterson Haddix
Vom Netzwerk:
das Wort
Zeugen
, als sei er an irgendeinem Verbrechen beteiligt.
    »Alles in Ordnung«, sagte Jonas. Er gähnte wenig überzeugend. »Ich bin bloß müde.«
    Seine Eltern musterten ihn skeptisch, doch sie schienen bereit, mitzuspielen.
    »Vielleicht solltest du früh ins Bett gehen«, schlug seine Mutter vor. Sie glaubte fest an die heilende Kraft des Schlafes. Jonas war überrascht, dass sie nicht hinzufügte: »Morgen früh sieht die Welt bestimmt viel fröhlicher aus.« Stattdessen sagte sie: »Ich bin froh, dass du nach Hause gekommen bist. War Katherine auch bei dir? Ich habe sie gar nicht gesehen.« Sie sah sich um, als müsste sie nun, da sie sich um Jonas gesorgt hatte, ihrer Tochter das gleiche Maß an Besorgnis zukommen lassen.
    »Sie ist noch drüben bei Chip«, sagte Jonas.
    Er konnte ihr fast von der Stirn ablesen, was ihr durch den Kopf ging:
»Du meine Güte, da wird doch wohl keine Romanze im Gange sein? Sie ist erst im sechsten Schuljahr, aber er ist ein älterer Junge . . .«
    »Sie hat das Handy dabei, nicht?«, fragte sie mit einstudierter Gelassenheit. »Ich rufe sie an und sage ihr,dass sie nach Hause kommen soll. Es ist fast neun Uhr.«
    »Ich gehe sie holen«, erbot sich Jonas. Er war immer noch ein bisschen sauer auf seine Schwester, aber irgendwie behagte es ihm nicht, sie allein durch die dunkle Straße nach Hause gehen zu lassen, mit all den unheimlichen Schatten.
    Was eigentlich verrückt war, denn schließlich hatte
er
Drohbriefe erhalten.
    Andererseits war Katherine überzeugt, ein Gespenst gesehen zu haben.
    »Das würdest du tun?«, fragte Mom. »Danke.«
    Jonas wartete, bis seine Eltern gegangen waren, ehe er den mysteriösen Brief wieder in den Umschlag steckte. Dann ging er hinaus. Kurz vor Chips Haus sah er Katherine herauskommen.
    »Morgen«, versprach sie Chip gerade. »Wir klären das! Ganz bestimmt!«
    Jonas wartete, bis Chip die Tür geschlossen hatte und Katherine auf den Bürgersteig trat. Er versteckte sich hinter einem Ahornbaum und sprang in dem Moment hervor, als sie an ihm vorüberging: »Buh!«
    Katherine schrie auf. Dann begann sie zu kichern und boxte ihm gegen die Brust.
    »Blödmann!«, rief sie lachend. »Du bist gemein!«
    Fast hätte Jonas ebenfalls gelacht, so gut tat es, die ganze Sache auf die leichte Schulter zu nehmen und so zu tun, als mache er sich über nichts Gedanken. Außerdemtaten ihm Katherines Fäuste zum Glück nicht weh. Sie schlug nicht wirklich fest zu.
    »So, und jetzt verrate ich dir kein Wort von dem, was Chip und ich herausgefunden haben«, drohte sie ihm.
    »Gut. Ich will es sowieso nicht wissen«, sagte Jonas. »Schon vergessen?«
    »Okay, dann erzähle ich dir eben alles«, änderte Katherine den Kurs. »Chip und ich haben die ganze Zeugenliste abtelefoniert.«
    Jonas wollte sich die Ohren zuhalten und rufen: »Ich höre nichts! Ich höre nichts! La, la, la, la, la . . .« Aber das brachte er dann doch nicht fertig.
    »Zwei Leute haben einfach aufgelegt«, erzählte Katherine weiter. »Aber einen habe ich dazu gebracht, mir zu verraten, dass er als Fluglotse gearbeitet hat. Ich habe so getan, als würde ich an einer Berufsvorstellung für die Schule arbeiten und müsste einfach wahllos Leute anrufen, um mit ihnen über ihre Arbeit zu sprechen. Er war richtig freundlich und wollte gar nicht mehr aufhören zu reden. Fluglotsen scheinen nicht viel unter Leute zu kommen. Aber dann habe ich ihn gefragt, ob er jemals etwas Ungewöhnliches erlebt hat, so vor ungefähr dreizehn Jahren? Da wurde er mit einem Mal ganz still und meinte, er müsste jetzt los, er hätte keine Zeit mehr, sich mit mir zu unterhalten. Das hat doch was zu bedeuten, findest du nicht?«
    »Nein«, sagte Jonas unwillkürlich, weil er wollte, dass nichts davon Bedeutung hatte.
    »Und dann war da noch diese andere Frau – Angela DuPre. Ihr Name stand ganz oben auf der Liste. Als Chip anfing, sich mit ihr zu unterhalten, klang sie völlig normal. Aber dann hat er es darauf angelegt und ihr erzählt, er hätte gerade herausgefunden, dass er ein Adoptivkind ist und nicht das Geringste über seine echten Eltern weiß und dass er hofft, sie wisse vielleicht . . . daraufhin ist sie völlig ausgeflippt. Sie hat fast angefangen zu hyperventilieren und zu ihm gesagt: ›Ich kann nicht mit dir reden. Ruf mich nie wieder an.‹ Seltsam, was?«
    Alles war seltsam, dachte Jonas. Er suchte nach normalen Erklärungen.
    »Na ja, vielleicht . . . vielleicht hat sie selbst ein Baby zur

Weitere Kostenlose Bücher