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Die Entfuehrten

Titel: Die Entfuehrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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Katherine starrten ihn an, als hätte er den Verstand verloren.
    »Können wir nicht so tun, als ob das alles einfach nicht passiert wäre?«, fragte Jonas.
    »Meine Eltern haben dreizehn Jahre lang so getan, als wäre nichts passiert«, sagte Chip verbittert.
    Jonas wandte sich an Katherine.
    »Du hast doch selbst gesagt, dass ich diesen ganzen Identitätsfindungskram lassen soll«, sagte er. »Du wolltest, dass ich mich ganz normal verhalte.«
    Katherine sah von einem zum anderen.
    »Das war, bevor ich den Geist gesehen habe«, sagte sie leise. »Oder was immer es war.«
    »Bist du denn gar nicht neugierig?«, fragte Chip.
    Jonas schüttelte den Kopf.
    »Nein«, sagte er. »Überhaupt nicht.« Er hatte immer noch das Gefühl, zu dicht am Computer zu stehen. Sein Verstand versuchte, die verschwommenen Schnörkel wieder in Worte zu verwandeln und die Worte in Gedanken. Überlebende. Ich bin auf der Liste der Überlebenden. Was hat das zu bedeuten? Wieder sagte er sich, dass es ihm egal sei. Er beugte sich vor und nahm seine Jacke. »Komm, Katherine. Gehen wir nach Hause.«
    Katherine rührte sich nicht.
    »Früher habe ich mir immer gewünscht, du zu sein«, sagte sie.
    »Wie bitte?«, sagte Jonas und ließ vor Überraschung fast die Jacke fallen.
    »Na ja – nicht wirklich
du
«, sagte Katherine. »aber ich wollte gern das Adoptivkind sein. Ich fand es langweilig,dass Mom und Dad meine echten, leiblichen Eltern waren. Also habe ich mir vorgestellt, ich wäre adoptiert worden und meine anderen Eltern wären ein Königspaar oder Schauspieler oder Sänger – eben irgendwas Aufregendes.«
    »Sehr schön«, sagte Jonas sarkastisch. »Hat dich bestimmt sehr glücklich gemacht, dieses kleine Hirngespinst.« Seine Hände zitterten beim Anziehen, also steckte er sie in die Hosentasche. »Meine anderen Eltern sind wahrscheinlich Drogendealer«, sagte er. »Schmuggler, die vom FBI gesucht werden.«
    Katherine schüttelte den Kopf.
    »Das weißt du nicht«, sagte sie.
    »Aber Mr Reardon weiß es.« Sosehr er sich auch bemühte, er konnte die Bitterkeit in seiner Stimme nicht unterdrücken.
    »Nein.« Katherine sah ihn an. »Das glaube ich nicht. Hast du gesehen, wie Mr Reardon dich angeschaut hat? Es war als . . . als wollte er etwas über dich herausfinden. Als wüsste er selbst nicht genau, wer du bist.«
    »Herzlichen Dank«, sagte Jonas. »Soll das vielleicht ein Trost sein?«
    Da legte ihm Katherine mit einer theatralischen Geste die Hand auf den Arm.
    »Moment«, sagte sie. »Ich glaube, mir ist gerade etwas eingefallen.«
    Jonas wartete. Wie blöd bin ich eigentlich, dass ich mir von Katherine was sagen lasse?, fragte er sich.
    »Reg dich nicht auf. Ich glaube wirklich, dass ich damit recht habe«, erklärte Katherine aufgeregt. »Ich musste Mom und Dad nämlich versprechen, bei deinem Treffen mit dem FBI kein Wort zu sagen, solange wir dort sind, sonst hätte ich nicht mitkommen dürfen.«
    »Sie haben wirklich geglaubt, dass du länger als drei Sekunden am Stück den Mund halten kannst?«, fragte Jonas.
    »Ich
habe
nichts gesagt«, erwiderte Katherine entrüstet.
    Jonas überlegte. Es war ihm zwar nicht aufgefallen, aber wenn er jetzt darüber nachdachte, konnte er sich wirklich nicht erinnern, Katherine in Mr Reardons Büro etwas sagen gehört zu haben, nur keuchen.
    »Und es ist irgendwie komisch«, fuhr Katherine fort. »Wenn man schweigt, fallen einem manchmal interessante Dinge auf. Ich habe jedenfalls die ganze Zeit gedacht, dass Mr Reardon sich irgendwie seltsam benimmt.«
    »Sag bloß«, äffte Jonas.
    Katherine achtete nicht auf ihn.
    »Ich habe mich ständig gefragt, warum er sich mit uns treffen wollte, obwohl er uns eigentlich nichts sagen kann? Und ich glaube . . .«, sie senkte verschwörerisch die Stimme, »ich glaube, er wollte herausfinden, was Mom und Dad schon wissen.«
    »Du meinst, er hat angenommen, deine Familieweiß etwas, was das FBI nicht weiß?«, fragte Chip. Er hatte sich vom Bildschirm weggedreht und starrte Katherine an, als habe sie die Antwort auf alles.
    »Vielleicht«, sagte Katherine wieder mit normaler Stimme. »Oder er hat befürchtet, wir wüssten schon etwas über diese streng geheimen Informationen, die er nicht rausrücken will. Hast du denn nicht gemerkt, dass er es regelrecht darauf angelegt hat, Mom und Dad auf die Palme zu bringen? Du weißt doch, dass Leute, die wütend sind, manchmal Dinge sagen, die sie eigentlich gar nicht sagen wollen – und zu viel verraten? Das

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