Die Entfuehrung
Gasse abseits des Hafens hing ein ziemlich heruntergekommenes Schild mit der Aufschrift Taverne Zu den drei Segeln.
Alex öffnete die schwere Eingangstür, und Alice folgte ihm. Staubkörnchen wirbelten in den Sonnenstrahlen, die durch das Fenster fielen. Mit einem erleichterten Aufstöhnen ließ Alex den Rucksack von den Schultern gleiten.
Rechts von ihm erstreckte sich eine lange alte Holztheke, während sich links unter den Fenstern mehrere gemütliche Nischen befanden. Dazwischen standen ein paar Tische. Was Alice zuerst auffiel, war die Stille. Niemand stand an der Theke, und abgesehen von zwei Gästen, die weiter hinten an einem Tisch saßen, war die Taverne leer.
»Entschuldigung?«, rief Alice in die Stille. »Hallo?«
Die beiden Gäste im hinteren Teil blickten herüber und Alice stieß einen durchdringenden Schrei aus.
Es waren Sophia und Horatius!
Sie taumelte zurück und stieß mit Alex zusammen, der die silbergraue Maus und ihren pechschwarzen Partner mit offenem Mund anstarrte.
»Alex, lauf!«, schrie Alice.
Sie machten kehrt, aber die Tür wurde von zwei rauchgrauen Mäusen blockiert.
Sie saßen zwischen den beiden Paaren fest. Alice sah sich verzweifelt nach einem anderen Ausgang um, konnte aber keinen entdecken.
»Julius!«, rief sie. »Augustus! Hilfe!«
»Euch helfen?«, sagte eine der rauchgrauen Mäuse an der Tür.
»Wohl eher nicht«, sagte die andere.
Alice starrte sie an. »Ihr beiden seid ...?«
»Julius«, sagte der große, dünne Mäuserich, der eine nach unten gebogene Nase hatte.
»Augustus«, sagte der andere, der klein und rundlich war und eine Himmelfahrtsnase hatte. »Wir helfen keinen Spionen.«
»Spione?«, brüllte Alex. »Wir sind keine Spione – aber die beiden schon!« Er deutete anklagend auf Sophia und Horatius. »Sie haben so getan, als wären sie von der FUG, und dabei –«
»Seht ihr?«, sagte Sophia, neigte den Kopf zur Seite und sah Julius und Augustus mit weit aufgerissenen, unschuldigen Augen an. »Genau wie ich gesagt habe. Gleich versuchen sie, euch zu überzeugen, dass sie Alex und Alice sind, der Neffe und die Nichte von unseren lieben Freunden Beezer und Ebenezer.«
»Aber wir sind wirklich Alex und Alice!«, fiel ihr Alice ins Wort.
»Ist es nicht ganz abscheulich von diesen bösen Sourisanern«, fuhr Sophia fort, als habe Alice nichts gesagt. »Sogar Kinder verstricken sie in ihre teuflischen Machenschaften! Deshalb müssen wir den lieben kleinen Alistair vor ihnen finden. Ihr helft uns doch, nicht wahr?« Sie machte ein sehr besorgtes Gesicht. »Also, wenn sie auch nur ein Haar seines rotbraunen Fells krümmen, dann ... dann ...« Sie verstummte, und Horatius reichte ihr ein kleines weißes Taschentuch, mit dem sie sich die Augen betupfte. Alice musste zugeben, dass es eine meisterhafte Vorstellung war.
»Ihr ... ihr !« Alex, der vor Wut nichts Richtiges herausbrachte, stürmte auf Sophia zu. Doch kaum hatte er zwei Schritte gemacht, wurde er am einen Arm von Julius und am anderen von Augustus gepackt.
»Probier es lieber gar nicht erst!«, schnarrte Julius, als Alex sich loszureißen versuchte.
»Wartet!«, sagte Alice. »Wir können beweisen, wer wir sind. Wir haben einen Brief für euch von Tante Beezer.«
»Ach, tatsächlich?«, sagte Augustus. »Lasst mal sehen.«
Alice kniete sich auf den Boden und öffnete die vordere Tasche des Rucksacks. Der Brief war nicht darin! Vielleicht hatte sie ihn in das große Fach gesteckt? Schnell löste sie die Schnallen, hob das schwere halbe Käserad heraus und stöberte im Inhalt des Sacks. Nichts. Wo konnte er denn ...? Sie hob den Kopf und sah Sophia an, die sie scheinheilig anschaute. Natürlich. Deswegen hatte Sophia darauf bestanden, Horatius den Rucksack in der Fluss-Schänke aufihre Zimmer bringen zu lassen: damit er ihn durchsuchen konnte.
Sie blickte zu Alex auf, der immer noch von Julius und Augustus festgehalten wurde.
»Sie haben den Brief gestohlen«, sagte sie düster.
»Meine Herren, es tut mir leid, Ihnen solche Umstände bereiten zu müssen. Wirklich, wenn die liebe Beezer mir nicht versichert hätte, ich könne mich auf Sie beide verlassen, hätte ich Sie natürlich unter keinen Umständen bemüht.«
»Keinerlei Umstände, Sophia«, erwiderte Julius. »Wir sind froh, dass wir helfen können.«
»Eine Freundin von Beezer ist auch unsere Freundin«, fügte Augustus hinzu.
»Hätten Sie vielleicht eine Räumlichkeit, wo man sie für ein paar Stunden wegsperren kann? Ich
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