Die Entführung der Musik
Elternschlafzimmer standen die Dinge noch schlimmer, denn es war von einer Horde winziger Kobolde besetzt, deren Färbung von einem dumpfen Wollweiß bis zu einem schokoladenfarbenen Beige reichte. Sie barsten fast vor Aktivismus, wobei sie manchmal organi- siert wirkten und manchmal chaotisch. Daraus ergab sich dann eine gewisse Neigung, mit Höchstgeschwindigkeit ineinander zu rasen, was zu Gezänk führte und gelegentlich auch eine Sauerei hinterließ. Es gab viele solcher winziger Streitereien darüber, wer auf den einzig angemessenen hermetischen Pfaden das Wegerecht hatte.
Verärgert und gereizt stapfte Jon-Tom durchs Haus und versuchte, es so gut wie möglich sauber zu machen und in Ordnung zu halten. Er war ungewöhnlich schlechter Laune, und selbst die wundersame Duar klang verstimmt. Seinen Versen mangelte es an Inspiration, und das Ergebnis war ein Haushalt, der von der Anderwelt mehr denn üblich in Mitleidenschaft gezogen wurde. Das Badezimmer erwies sich als besonders schwierig zu exorzieren, und nachdem er eine ganze Fla- sche Kräutergeist zerbrochen hatte, war er gezwungen, sich in sein Arbeitszimmer zurück zu ziehen, um eine passende Desinfektionster- minologie zu suchen. Die Mißerfolge nagten an seinem Stolz, und er war dankbar, daß niemand zugegen war und Zeuge seines Leids wur- de.
Allmählich gelang es ihm, das Baumhaus wieder in Form zu brin- gen. Die Dämonen und Kobolde zischten, spuckten, warfen Schleim aus und bespien sich (wenn niemand hinschaute) gegenseitig mit Feu- er.
Erst als Jon-Tom mit seiner Musik den letzten von ihnen verbannt hatte, konnte er die ermüdende Aufgabe in Angriff nehmen, die ver- sengte Tapete zu erneuern.
Hausarbeit, entschied er bei sich, verlangte überraschend viel Ma- gie.
Aus dem Wäschezimmer ertönte das Geräusch lauter Schläge. Mit einem tiefen Seufzer wandte er sich in diese Richtung und schlug da- bei einige disharmonische Töne auf der Duar an. Kurz darauf schweb- te auf durchscheinenden Flügeln ein lavendelfarbener blasser Elf her- aus. Er hatte feine, aber nichtssagende Gesichtszüge.
»Oh, Meister«, zirpte er, »die mit der Trockenreinigung betrauten Kobolde haben ein Tohuwabohu angerichtet.«
»Warum? Alles was ich verlangte, war die Reinigung und Entfle- ckung von einem halben Dutzend Überkleidern. Eine wirklich einfa- che Aufgabe.«
»Ich weiß, Meister. Wenn wir Elfen die Verantwortung hätten, lä- gen die Dinge natürlich anders.«
»Elfen können mit Hitze nicht so gut umgehen wie Kobolde. Geh mir aus dem Weg.« Er schob den bekümmerten Elf beiseite.
Es waren vier - aufgeblasene Gestalten mit riesigen Mäulern und warzigen Gesichtern. Keiner war mehr als hüfthoch. Wortreich stritten sie miteinander. Ordentlich gepreßt und in eine gelartige Substanz eingeschlossen, die weder Plastik noch Zellophan war, hingen zwei Mäntel vom Kleidergestell.
»Was ist los?«
Aufgeschreckt entfuhr dem nächststehenden Kobold ein Rülpser, und Taleas gute rote Kleiderweste sprang ihm aus der Nase. Das Klei- dungsstück war nur zur Hälfte sauber, und in Gürtelhöhe war ein di- cker Fleck zu sehen. Einfältig gab der Kobold die Weste an seinen Gefährten weiter, der eiligst einen Kleiderbügel hervorwürgte, wäh- rend er mit dem Kleidungsstück hantierte.
»Es ist ihr Fehler«, erklärte der Kleiderbügelspucker energisch und zeigte auf das Paar, das ihm gegenübersaß. »Sie verzögern absichtlich die Arbeit.«
»Wir sind einfach vorsichtig«, entgegnete einer der Beschuldigten.
»Zuviel Hitze schadet dem Stoff. Das sollte doch wirklich jeder wis- sen.«
»Man kann auch zu stark pressen.« Sein höhnisch grinsender Nach- bar zeigte klobige flache Backenzähne in einem schwefelfarbenen breiten Maul.
Ich muß hier unbedingt einen Desodorierungszauber benutzen, beschloß Jon-Tom dem Geruch zufolge, der ihm entgegenschlug. »Die Bedingungen des Banngesanges verlangen, daß ihr zusammen arbei- tet. Ich will keine Verzögerungen mehr und keine Streitereien.« Damit drehte er sich um und verließ das Wäschezimmer, ohne das Gemecker hinter sich zu beachten. Hitzekobolde waren bekanntermaßen wider- spenstig... aber die Wäsche wurde ausgezeichnet.
Habe ich mir dafür, fragte er sich, so große Kräfte angeeignet, habe ich dafür die alten Bücher studiert? Ich bin Jonathan Thomas Meri- weather, der tüchtigste Bannsänger, den diese Welt oder irgendeine andere je gesehen hat! Zwanzig Jahre lang habe ich an meiner Kunst gefeilt und mein
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