Die Entführung der Musik
Vielleicht waren meine Banngesän- ge nicht immer perfekt...«
»'a!«
»...aber im Laufe der Zeit wurden sie immer besser. Ich mußte eben noch da zulernen. Unterwegs gab es niemanden, der mich unterwiesen hätte, was auch diesen Stubenhocker Clodsahamp mit einschließt.«
»Man sollt meinen, du 'ättest es kapiert und ein bißchen Vernunft angenommen.« Die Stimme des Otters hob sich zu einem spöttischen Quieken. »Dem Volk der Gepanzerten entgegentreten, den bösen Ma- gier vernichten, den Wanderer suchen! Die Gefahr, in die diese klei- nen Ausflüge die Menschen in deiner Umgebung brachten, 'at dein Urteilsvermögen nich verbessert. Genausogut 'atest du 'nen Scheffel verdammte Fisch-Cracker einkaufen ge'en können!«
»Jetzt hast du aber unrecht«, widersprach Jon-Tom mit der gezie- menden Würde. »Nie im Leben äße ich einen Fisch-Cracker.«
»Menschen 'aben eben keinen Geschmack«, knurrte Mudge. »So wie sie auch keinen Geruchssinn 'aben.«
»Und Otter haben weder Geduld noch geistigen Tiefgang. Bei euch ist alles rein körperlich.«
Mudge lächelte geziert: »Da ‘ast du mich erwischt, Kumpel, das muß ich zugeben.«
Das Gesicht des Bannsängers war plötzlich müde. Jeder Versuch, sich auf eine weitergehende Unterhaltung mit einem Otter einzulas- sen, mußte im Chaos enden. »Hast du eigentlich mit diesem armen Fisch an deiner Angel noch irgend etwas vor, oder läßt du ihn weiter qualvoll zappeln?«
»'ast du 'nen Vorschlag?«
Aufgebracht griff Jon Tom nach der Angelrute, doch inzwischen hatte sich das Objekt am Haken befreit - was immer daran gehangen hatte.
»Siehst du? Otter können anfangen, was sie wollen, sie bringen es nicht zu Ende. Gott sei Dank bin ich immer in deiner Nähe und kann auf dich aufpassen.«
»Ja, un wie viele Narben un blaue Flecken weniger könnte ich rum- zeigen, wenn du nich ganz so gründlich auf mich aufgepaßt 'ättest?«
Jon-Tom war damit beschäftigt, einen neuen Köder am Haken zu befestigen. »Wahrscheinlich wärst du inzwischen tot. Verurteilt und gehängt, oder von irgendeinem wütenden Ehemann durchbohrt.«
»Nee. Die 'ätten mich nie erwischt.« Der Otter schmiegte sich wie- der an die warme Erde. Erst als Jon-Tom ihm die Angel zurück gege- ben hatte, bemerkte er beiläufig: »Selbst wenn sich was Interessantes ereignen sollte, un selbst wenn ich verrückt genug war, nach Einzel'ei- ten zu fragen, würd ich nich mal im Traum wagen, die Sache weiter zu verfolgen.«
»Warum nicht?« wunderte Jon-Tom sich laut. »Wovor hast du Angst? Vor ruchlosen Zauberern, entarteten Drachen oder den bösar- tigen Geistern der Anderwelt?«
»Soll das 'eißen, du weißt es nich?« Der Otter wandte sich um und sah seinen Freund an. »Du kennst doch das Temperament von Wee- gee. Wenn ich auch nur die Möglichkeit erwähnen würd, irgendwo'in loszuziehn, würd sie mich schneller auseinander nehmen als jeder sechsarmige Dämon.«
Jon-Tom schüttelte traurig den Kopf. »Ist das derselbe Mudge, den ich die ganzen Jahre über gekannt habe? Mein Mudge, der von einem Moment auf den anderen für einen Kampf oder ein Abenteuer bereit war?«
»Eine Rauferei, okay. Was diese Abenteuer angeht, war ich nie für irgendeins bereit. Du ‘ast mich einfach sozusagen mitgeschleppt, be- vor ich über'aupt wußte, wie mir geschah.«
Jon-Tom überhörte die Bemerkung und fuhr wehmütig fort: »Jener Mudge konnte grenzenlos leben und lieben, war immer offen für neue Erfahrungen und große Abenteuerfahrten. Was ist nur mit ihm gesche- hen?«
»Also 'ör mal«, protestierte der Otter und setzte sich wieder auf- recht, »so sehr 'ab ich mich nich verändert. Ganz und gar nich. Ich sag nur, daß eine Frau, ein 'eim un zwei Teenager jeden verschleißen kön- nen. Und um so mehr, wenn es junge Otter sind. Denkst du, Buncan is anstrengend? Dann versuch mal zwei Monate lang mit Neena un Squill zurecht zu kommen.« Er hantierte an seiner Angelrute herum.
»Nich, daß es einen Unterschied macht. Wie du schon gesagt 'ast, es gibt nichts zu tun. Wir leben in 'nem Zustand glücklicher Zufrieden- heit.«
»Oder Resignation«, brummte Jon-Tom.
»Ich weiß nich, was das bedeutet, aber ich denk, 'ier is 'ne Menge davon zu finden.« Sein Gesicht hellte sich auf. »Da Weegee un Talea weg sind, könnten wir nach Lynchbany gehn und 'ne Bar auseinander nehmen oder so was.«
»Eine Schlägerei in einer Bar«, sagte Jon-Tom traurig. »Mudge und Jon-Tom, der große Abenteurer und der berühmte Bannsänger,
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