Die Entführung der Musik
unschuldig zurück.
»Ich habe dir ja gesagt, daß ich nicht einfach eine Krise herstellen kann.«
»Natürlich nicht. Das ist meine Aufgabe. Aber dem großen Bann- sänger Jonathan Thomas Meriweather fällt doch sicherlich für sein Talent etwas Angemesseneres ein als das Auftauen des Gefrier- schranks und das Glätten der Bettlaken.« Fugwheez sprang zur Decke und ließ sich nun an einem Arm von der Deckenleuchte herabbau- meln, was ihm das Aussehen eines äußerst häßlichen und ungewöhn- lich blauen Affen gab.
»Vielleicht...« Jon-Tom ließ die Finger über die Saiten der Duar gleiten. Der Ton, der dadurch in der Küche erklang, war melancho- lisch, aber auch hoffnungsvoll. »Vielleicht habe ich mir nicht genug Mühe gegeben. Vielleicht sollte ich nicht länger darauf warten, daß etwas passiert, sondern mich selber danach umschauen.«
»Das ist es!« spornte Fugwheez ihn an. »Agieren, nicht reagieren.« Er hüpfte über die Decke, was den Glühzauber zum Flackern brachte.
»Und wenn du das nächste Mal etwas zu lackieren hast, so kannst du mich ohne Zögern rufen. Als Gegenleistung bitte ich nur um den ers- ten Bissen von deinem Hirn, wenn du schließlich doch einmal deinen tödlichen Fehler begehst. Ich bin mir sicher, daß der Geschmack deli- kat und außerordentlich süß sein wird.«
»Sollte sich die Situation ergeben, werde ich mich darum bemühen, daß du der erste bist«, versicherte Jon-Tom ihm trocken.
»Dann wünsche ich dir herzlich Lebewohl, Meister Meriweather.« Der Geist verwandelte sich in einen blauen Dunst.
»Leb wohl, Fugwheez. Und... danke.«
»Keine Ursache«, erklärte der Dunst. »Therapie ist eines meiner Hobbies. Du würdest dich wundern, wie viele Dämonen und Kobolde zutiefst neurotisch sind.« Damit wirbelte er um die eigene Achse und verschwand wie ein Rauchwölkchen in der nächsten Lampe. Einen Moment lang wurde die Küchenluft blaßblau, während der Dämon die Jon-Tom umgebenden Schutzparameter überprüfte. Als diese stand- hielten, erklang ein leicht enttäuschtes »Verdammt!«, und dann war das Licht wieder sauber und weiß. Fugwheez war weg.
Jon-Tom ebenso - zur Küchentür hinaus, den Flur entlang und durch den Haupteingang des Baumes.
Sanft schlug ihm die Duar gegen den Rücken, als er entschlossen von seinem Heim weg und auf das Flußufer zuging. Auf seiner schil- lernden Weste funkelte das Sonnenlicht. In seinen Schritten schwang eine Spannkraft mit, die ihnen lange Zeit gefehlt hatte, und das lag nicht an den durch einen metallurgischen Zauber beschworenen Stahl- federn in seinen Schuhen.
»Mudge? Mudge, steh auf!« Kräftig hämmerte er gegen die ebener- dig in das sanft ansteigende Flußufer eingelassene Tür. Als von drin- nen keine Antwort kam, trat er zurück und begann zu singen. Gleich darauf hörte er das Klicken des Innenriegels.
Die Tür schwang auf, und er trat ein, wobei er sich bücken mußte, um sich nicht am Türrahmen zu stoßen. Für erwachsene Otter ge- macht, war die Tür zwei Fuß niedriger als die Höhe, die für ihn be- quem gewesen wäre.
Die Decke war höher, aber dennoch mußte er sich gebückt in die Wohnung im Flußufer vorarbeiten, wobei er sorgfältig darauf achtete, nicht gegen irgendeine Lampe zu stoßen. Im trüben Licht spähte er beim Weitergehen mühsam nach vorn.
»Mudge? Mudge!« In der Küche mit den kleinen, runden, auf den Fluß hinausgehenden Fenstern und dem roh gehauenen, niedrigen Mobiliar war von dem Otter nichts zu sehen. Auch nicht in der Wohn- stube oder in der Eingangshalle.
Wie zu einem hingekritzelten Buchstaben S ausgestreckt, fand Jon- Tom ihn schließlich mitten in dem zerwühlten Ehebett. Der Raum trug sowohl die Zeichen von Weegees wirkungsvoller Gegenwart als auch von Mudges eher anarchischem Geschmack.
»Mudge, steh auf!«
»Hmpf, was...« Mit zuckenden Schnurrhaaren und verschlafen blin- zelnden Augen drehte der Otter sich um. Eine gehäkelte Nachtmütze war ihm halb übers Gesicht gerutscht. »Was machst du denn 'ier, Kumpel? Ich 'ab tief geschlafen und 'atte 'nen wunderschönen Traum.«
Jon-Tom verzog das Gesicht und zeigte auf das einzige Fenster des Raumes, durch das das Sonnenlicht hereinströmte: »Es ist mitten am Tag.«
»Mitten...« Verschlafen blinzelnd schaute der Otter zu einem Nachttisch hinüber. »Wieviel Uhr ist es genau?«
»Halb acht. Steh auf.«
»'alb acht! Am Morgen?« Grollend erhob er sich wie in Zeitlupe aus dem Bett. »Was 'abt ihr Menschen nur mit eurer
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