Die Entfuehrung
dass sie das Fahrzeug gewechselt und den Bus versenkt haben.«
» Sie hätten ihn doch irgendwo an der Straße abstellen können. Warum machen die sich die Mühe, ihn in den Fluss zu fahren?«
»Wenn sie es nicht gemacht hätten, hätten wir uns auch die Mühe sparen können, den halben Tag im Schlamm herumzustochern. Wahrscheinlich haben sie Kentucky schon längst hinter sich gelassen.«
Allison nickte zustimmend. Sie setzte ein ernstes Gesicht auf. »Ich muss Ihnen wohl nicht sagen, dass wir diese Geschichte so schnell wie möglich aufklären müssen.«
»Wir tun unser Bestes. Abgesehen davon, dass heute sowieso halb Amerika in Halloween-Kostümen herumläuft, bieten die natürlichen Gegebenheiten rund um Nashville dem Entführer ungeheure Vorteile. Der Fluss windet sich wie eine Schlange, und mindestens ein Dutzend Brücken bieten reichlich gute Gelegenheiten, eine Leiche verschwinden zu lassen. Die beiden größten Seen hier in der Nähe - Old Hickory und Percy Priest - sind so groß, dass es schwer vorstellbar ist, da jemals eine Leiche zu finden. Es gibt zwölf Staaten innerhalb eines Radius von zweihundertfünfzig Meilen und drei Autobahnen, die aus der Stadt in sechs verschiedene Richtungen führen und als Fluchtweg in Frage kommen. Und vom internationalen Flughafen kommt man überallhin - es gibt mehr als hundert Städteverbindungen. Das ganze erinnert mich sehr an die Geschichte in Atlanta Anfang der Achtziger, als wir den Mörder schwarzer Kinder gesucht haben.« »Das war noch vor meiner Zeit«, sagte Allison. »Aus diesem Grund hat das FBI die CASKU und Leute wie mich. Ich möchte nicht respektlos erscheinen, aber das Flussufer ist nicht der geeignete Ort für eine Justizministerin.«
»Direktor O'Doud hat mir das auch schon klarmachen wollen, aber ich habe an diesem Fall ein ganz spezielles Interesse.«
Ein plötzliches Blitzlicht ließ sie zusammenzucken. Ein Fotograf tauchte unter der Brücke auf. Er hatte eine Halbglatze und schulterlanges rotes Haar. Allison fand, dass er aussah wie Bozo der Clown mit durchgeschlagener Dauerwelle.
Abrams blaffte ihn an. »Kumpel, hast du die Polizeiabsperrung nicht gesehen? Presse ist nicht zugelassen.«
»Ich bin nicht von der Presse.« Er richtete seine Kamera auf sie. »Wenn ich ein paar Bilder schießen dürfte, Ms. Leahy? Nur damit Mr. Wilcox ein paar gute Aufnahmen kriegt, aus denen er auswählen kann.«
»Wer zum Teufel ist Mr. Wilcox?« fragte Abrams.
Eine Mischung aus Ärger und Verlegenheit überkam Allison. »Mein Wahlkampfleiter.«
Abrams war völlig entgeistert. »Deshalb sind Sie also hier! Eine Wahlkampfveranstaltung!«
»Nicht im geringsten. Ich versichere Ihnen, es ist nicht so, wie es scheint.«
»Das ist Politik nie«, bemerkte Abrams trocken. »Wenn Sie mich entschuldigen wollen, ich habe zu arbeiten.« Er wandte sich ab und ging.
Allison war erschrocken. Ihre Glaubwürdigkeit gegenüber dem Chefermittler aufs Spiel zu setzen war das letzte, was sie im Moment gebrauchen konnte. Sie war in Versuchung, ihm zu folgen, aber die Anwesenheit des Fotografen hielt sie davon ab. Sie ging näher zum Ufer hinunter, so dass sie außer Hörweite des Fotografen und der Leute vom Secret Service war, und rief auf ihrem Handy David Wilcox an.
»Allison, wo sind Sie?« fragte er.
»Sie wissen verdammt gut, wo ich bin. Ich bin hier am Fluss - wohin Sie den Fotografen geschickt haben, damit er mich vor der Ermittlungskulisse ablichten kann.«
»Ich habe keinen Fotografen geschickt.«
»Werden Sie nicht unverschämt, David.«
»Ich habe nicht vor, unverschämt zu werden. Ich werde das überprüfen. Vielleicht hat einer der Berater ihn geschickt. Wenn ich's mir recht überlege, scheint mir das aber gar keine schlechte Idee.«
»Es ist eine blödsinnige Idee.«
»Ich bitte Sie, Allison. Haben Sie nicht die Umfragen gelesen? Innerhalb von vier Stunden sind wir auf der Beliebtheitsskala abgestürzt. Vor Ort zu bleiben und weiterzumachen ist Ihre einzige Möglichkeit, aus diesem Schlamassel wieder herauszukommen. Krempeln Sie die Ärmel auf und hängen Sie sich rein. Überlassen Sie den Wahlkampf mir.«
Sie zitterte vor Wut. »Das Leben eines zwölfjährigen Mädchens steht auf dem Spiel. Und Sie reden von Wahlkampf.«
»Blödsinn. Glauben Sie etwa, General Howe nutzt das nicht für seinen Wahlkampf aus? Dieser Mann hat achtzehn Jahre alte Jungs direkt in Maschinengewehrnester marschieren lassen, alles im Namen einer höheren Sache. Er denkt in
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