Die Entfuehrung
Secret Service schoben den Pulk zurück auf die Straße. General Howe stieg ohne Förmlichkeiten aus dem Wagen und eilte den Gehweg zur Haustür hinauf. Seine Frau öffnete. Sie wirkte unglaublich ruhig und gefasst, aber Lincoln wusste, dass sie nur versuchte, gegenüber ihrer Tochter stark zu sein. Sie begleitete ihn direkt ins Esszimmer. Zwei FBI-Agenten saßen Tanya gegenüber am Esstisch und machten sich Notizen, während sie sprach. Als General Howe und seine Frau in der Tür auftauchten, verstummte sie.
Tanya war mit dem Aussehen ihrer Mutter und dem Verstand ihres Vaters gesegnet. Ihre funkelnden Augen konnten normalerweise einen Raum erleuchten. Aber heute Abend waren sie rot und geschwollen. Sie hielt ein durchnässtes Taschentuch in der Hand.
»Entschuldigen Sie mich einen Augenblick«, sagte sie zu den FBI-Leuten. Sie nahmen ihre Notizen und verschwanden in der Küche. Natalie folgte ihnen. Lincoln legte seinen Mantel ab und schloss die Schiebetür zwischen Küche und Esszimmer, um ungestört zu sein. Er hatte erwartet, dass Tanya aufstehen würde, damit er sie trotz ihrer Differenzen in der Vergangenheit in den Arm nehmen konnte. Sie machte keinerlei Anstalten. Er setzte sich Tanya gegenüber auf einen Stuhl am anderen Ende des Tisches.
Im schwachen Licht des Messingkronleuchters starrte sie ihn wortlos an. Ihr Gesicht war ausdruckslos, ihre Augen verrieten kein Gefühl. Schließlich brach sie das Schweigen
»Ich habe mich gefragt, ob du kommen würdest.« »Es war selbstverständlich, dass ich komme. Du bist meine Tochter.
»Und Kristen? Was ist sie?« Ihre Augen wurden zu Schlitzen. »Fällt es dir immer noch so schwer zu sagen, dass sie deine Enkelin ist?«
»Fang bitte nicht wieder damit an.«
»Warum nicht?«
»Weil ich deinetwegen gekommen bin. Das ist alles, was zählt.«
»Hast du wenigstens in die Kameras gewinkt, als du reingekommen bist?«
»Deshalb bin ich nicht hergekommen.«
»Warum genau bist du dann gekommen? Um mir klarzumachen, dass das Gottes Strafe ist dafür, dass ich ein uneheliches Kind in die Welt gesetzt habe? Oder um mir zu erzählen, dass ich den ganzen Ärger nicht am Hals hätte, wenn ich von Anfang an auf dich gehört und abgetrieben hätte?«
Gequält schüttelte er den Kopf. »Wie kannst du so etwas sagen?«
»Sieh mich an und sag mir, dass du das nicht gedacht hast.«
Verlegen sah er weg. »Ich kann die Vergangenheit nicht ändern. Ich weiß, dass ich kein besonders guter Großvater bin.«
»Du kennst Kristen ja nicht einmal. Für dich war sie immer nur unehelich, eine politische Belastung.«
»Das ist nicht wahr, Tanya. Aber selbst wenn du all dies glaubst, müssen wir jetzt unsere Differenzen hintanstellen. Ich weiß, dass dies das Schlimmste ist, was Eltern passieren kann, und ich verstehe deine Wut. Vielleicht wirfst du mir sogar vor, dass ich unsere Familie ins Licht der Öffentlichkeit gerückt habe.
»Ich werfe dir vor, dass du uns in Gefahr bringst. Du hast gewusst, dass so etwas passieren konnte. Aber du hast trotzdem kandidiert.«
Er dachte einen Augenblick nach, dann sagte er ernst: »Du sollst wissen, dass ich alles in meiner Macht stehende unternehmen werde, um Kristen zurückzuholen.«
»Ach, wirklich?« fragte sie zweifelnd. »Was ist, wenn die Kidnapper Rassisten sind, die alles tun würden, um zu verhindern, dass ein Schwarzer zum Präsidenten gewählt wird? Und wenn sie damit drohen, Kristen umzubringen, wenn du deine Kandidatur nicht zurückziehst und deiner weißen Gegnerin oder deinem weißen Vize den Vortritt ins Weiße Haus lässt? Würdest du das tun?«
Ihm wurde unbehaglich. »Wir dürfen dem Terrorismus gegenüber nicht nachgeben. Ich weiß, dass du das nicht von mir erwartest.«
»Doch«, sagte sie mit zitternder Stimme. »Das erwarte ich allerdings von dir. Ich will meine Tochter wiederhaben -basta! Und komm nicht zu mir und rede davon, dass du alles tun wirst, um sie wiederzubekommen, wenn du es nicht ernst meinst.«
»Ich werde alles tun, was nötig ist. Solange es im vernünftigen Rahmen ist.«
»Vernünftiger Rahmen? Gibt es denn etwas Wichtigeres als das Leben eines unschuldigen zwölfjährigen Mädchens?«
»So einfach ist das nicht.«
»Doch, so einfach ist das.« Ihr Blick wurde hart. »Mutter hat dir ja vielleicht deine Art zu leben verziehen, aber ich nicht. Du hast immer die falschen Entscheidungen getroffen. Das Militär war dir wichtiger als deine Frau und deine Kinder. Und jetzt ist dir die Präsidentschaft
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