Die Entfuehrung
wichtiger als das Leben deiner Enkelin. Zuerst kommt die Familie - vorausgesetzt, sie steht deinem Ehrgeiz nicht im Weg. Das ist dein Charakter, Lincoln Howe. Genau das ist dein Charakter.«
Er wollte etwas sagen, aber seine Kehle war wie zugeschnürt. »Ich-«
Sie erhob sich von ihrem Stuhl und fiel ihm mit einer Handbewegung ins Wort. »Bitte geh.« Sie holte seinen Mantel und hielt ihn Lincoln hin.
Langsam stand er auf und blieb mit hängenden Schultern vor der Küchentür stehen. Er sah sie an. »Tanya, es tut mir aufrichtig leid.«
Ihre Lippen bebten. »Das musst du Kristen sagen.« Dann brachte sie ihn zur Tür.
Allison nahm sich ein Zimmer im Marriott Hotel am Flughafen. Sie wusste noch nicht, ob sie die Nacht in Nashville verbringen würde, aber sie musste erst mal unter die Dusche und ihre Kleider wechseln. Während sie den Koffer auspackte, fiel ihr ein, dass sie heute ja ein schon länger verabredetes Treffen mit Wahlfondsmanagern in Kansas City hatten und Peter sicherlich schon auf sie wartete. Bestimmt hatte er mittlerweile gemerkt, dass er heute alleine ausgehen musste. Sie rief ihn dennoch an und erzählte ihm alles, was sie wusste; es war auch nicht mehr, als er schon in den Abendnachrichten . gehört hatte.
»Ich kann einfach nicht glauben, dass das passiert ist«, sagte sie und nahm sich eine Flasche Mineralwasser aus der Minibar.
»Das einzige, was ich nicht glauben kann, ist, dass so was nicht öfter passiert«, sagte er verächtlich. »Die Welt ist verrückt. Das müsstest du doch am besten wissen. Vielleicht hast du vor dir selber die Gefahren eines Wahlkampfs heruntergespielt, damit du dich nicht bei jedem Schritt nach irgendwelchen Verrückten umdrehen musst. Aber wenn du wirklich nicht glauben kannst, dass so etwas passiert, dann war deine eigene Gehirnwäsche zu gründlich.«
»Ich habe das nicht wörtlich gemeint. Ich habe einfach sagen wollen, dass es schrecklich ist, wenn so etwas passiert. Ich weiß, dass du besorgt bist um mich, Peter, aber ich bin nicht blöd.«
»Allison, ich liebe dich. Und zweifellos bist du die intelligenteste Frau, die ich je kennengelernt habe. Aber hin und wieder habe ich den Eindruck, dass deine Vorstellungen von Politik romantischer sind, als gut für dich ist.«
Sie zog ihre Schuhe aus und ließ sich aufs Bett fallen. »Peter, die erste Wahl, bei der ich als Kandidatin angetreten bin, hat in Chicago stattgefunden - in einer Stadt, in der meine Großmutter noch gewählt hat, als sie schon sechs Jahre tot war. Mir ist durchaus bewusst, dass Politik nichts mit Romantik zu tun hat.«
»Deine politischen Grundlagen sind handfest, das steht außer Frage«, sagte er leiser und ernster. »Ich mache mir eher Sorgen wegen der Erfahrungen der letzten Zeit. Ich habe dich schon vor über einem Jahr darauf hingewiesen, als du angefangen hast, über deine Kandidatur zu reden. Aber ich hatte den Eindruck, dass du davon nichts hören wolltest.«
Sie lehnte sich an das Kopfteil. »Wovon?«
»Glaubst du im Nachhinein nicht auch«, sagte er etwas gezwungen, »dass der Verlust deiner Tochter deinem Engagement für Washington einen... seltsamen Beigeschmack verleiht?«
» Was hat Emily damit zu tun ?«
Er zögerte einen Augenblick, weil er wusste, wie heikel das Thema war. »Das war ohne Zweifel die größte Tragödie in deinem Leben. Aber gleichzeitig war das auch dein unausgesprochener größter politischer Vorteil.
»Niemals habe ich Emily zu meinem politischen Vorteil benutzt.«
»Natürlich nicht. Aber Tatsache ist, dass niemand es wagt, eine Frau anzugreifen, die ihr Kind verloren hat. Weder deine Gegner noch die Presse. Selbst als du zur Justizministerin berufen worden bist, wurdest du von dem üblichen Rufmord verschont, der bei den Wahlanhörungen des Senats gang und gäbe ist. Die Stadt hat dich willkommen geheißen - die Menschen haben dir zugejubelt -, von dem Tag an, als du deinen Fuß ins Justizministerium gesetzt hast. Du bist ein wunderbarer Mensch und äußerst talentiert. Das will ich nicht in Frage stellen. Aber dass sie dich so sehr geliebt haben, lag auch mit daran, dass sie tief in ihrem Herzen Mitleid mit dir hatten und wollten, dass du wieder auf die Füße kommst. Das liegt in der Natur des Menschen.«
»So sehr ich es auch möchte, aber ich kann meine Vergangenheit nicht ändern.«
»Ebenso wenig kann Lincoln Howe die seine ändern. Also wundere dich nicht, wenn die Wähler jetzt die gleichen Sympathien für ihn empfinden. Und vor allem
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