Die Entscheidung
Kleinigkeit gegessen hatte, ging sie in den Bahnhof und rief Leo an.
„Und?“, fragte sie, als er abhob.
„Du hattest recht, sie suchen dich.“
Na toll. Eine Armada Uniformierter, die in ihren Nacken atmete, hatte ihr gerade noch gefehlt.
„Ich habe mir die Akte angesehen, und wie es aussieht, tauchst du in mehreren Fällen als Verdächtige auf.“
„Woher zum Geier hast du meine Akte?“
Sein raues Lachen kitzelte ihr Ohr. „Willst du das wirklich wissen?“
Eigentlich nicht. Er deutete ihr Schweigen richtig, denn er fuhr leise fort: „Da steht, dass ein Sessel auf den Place Verdôme geworfen wurde, bevor das Ritz in die Luft geflogen ist. Klingelt da was bei dir?“
Ups.
„Muss aus einem Salonfenster der oberen Suiten geflogen sein“, ergänzte er, ohne eine Antwort abzuwarten. „Gebucht hat die Suite eine gewisse Erienne Wayne, ein Schwarz-Weiß-Foto von dir an der Rezeption liegt auch dabei. Hübsches Bild, übrigens.“
Sie hörte ihn blättern und biss die Zähne zusammen.
„Die Spurensicherung hat rund um deine Suite konzentrierte Hexogen-Spuren gefunden, das ist der eigentliche Grund, weswegen du gesucht wirst.“
Sollte das ein Witz sein? Die ganze verdammte oberste Etage war in die Luft geflogen, wie wollten diese Superhirne feststellen, wo sich das C4 befunden hatte? Das Ganze stank zum Himmel.
„Angeblich wollen sie dich nur zur Befragung einbestellen“, fuhr Leo in ruhigem Ton fort. „Aber wenn du mich fragst, suchen die einen Dummen, dem sie das Ganze in die Schuhe schieben können. Nachdem die Datenbank nichts Brauchbares über Erienne Wayne ausgespuckt hat, wurden die Polizeispitzel befragt, und plötzlich ergibt alles einen Sinn. Erienne ist im Untergrund gut bekannt, wie du sicher weißt.“
Lachte er etwa?
„Das Profil des Polizeipsychologen solltest du lesen.“
Sie schnaubte, kein Bedarf.
„Sonst noch was?“
„Es existiert eine Top Secret Akte über dich, die unter Verschluss steht. Laut der bist du eine skrupellose Killerin, die die Stadt terrorisiert, nachdem ihre Vaterfigur ermordet wurde. Jetzt sprengt sie auf die gleiche Art und Weise, wie Wayne umkam, eine Schneise durch Paris. Enzo hatte bisher den größten Schaden, und Wayne stand unter seinem Schutz. Aus Sicht der Psychoheinis macht das sogar Sinn.“
Das hier wurde immer besser. Nicht nur stand sie auf Saetans „To Kill“-Liste, jetzt war sie auch noch Staatsfeind Nummer eins. Und alles nur wegen ihres missglückten Versuchs, ihre Wind-Kräfte zu kontrollieren. Damals in der Suite im Ritz stand sie noch ganz am Anfang und wusste nicht mit der neuen Kraft umzugehen – die Sache mit dem Sessel war ein Unfall. Kurz darauf hatte Zoey angerufen, dann war die komplette Etage explodiert.
Leider war Leo noch nicht fertig.
„Neben dem, dass das alles so schön zusammenpasst, wollen dich Mitglieder der Spezialeinheit auf dem Eiffelturm gesehen haben, kurz bevor der auseinandergebrochen ist. Angeblich hat ein Komplize von dir Enzos Helikopter gestohlen, um ihn zu belasten. Anschließend bist du darin geflüchtet – zumindest laut Aussage von zwei Angehörigen der GIGN. Denen bist du in der Vergangenheit ganz schön auf den Sack gegangen und hast sie alt aussehen lassen. Schätze mal, die Story eines Undercover Killers passt denen ganz gut in den Kram, wenn du verstehst, was ich meine.“
Und wie sie verstand. Man nehme eine Handvoll Klugscheißer, auch bekannt als Psychoretten, mixe sie mit übereifrigen Kriminologen und einem verzweifelten Polizeipräsidenten, der dringend einen Tatverdächtigen braucht. Voilà, fertig ist der Bombenleger. Fast konnten sie einem leidtun.
„Blanche?“ Leos ruhige Stimme riss sie aus ihren Gedanken.
„Was?“, schnappte sie.
„Die haben Befehl, erst zu schießen, und dann zu fragen.“
„Am helllichten Tag?“
„Da können sie besser sehen.“
Blanche verdrehte die Augen und legte auf. Sie hatte genug gehört.
4
B eliar stand mit ausgebreiteten Flügeln auf dem Glasdach des Gare du Nord. Nicht zum ersten Mal kam Blanche hierher, um zu telefonieren. Dieser überfüllte Ort war ideal, um mit der Umgebung zu verschmelzen. Es war eine Frage von Sekunden, in denen man mit der Menschenmenge eins wurde, in einen der einfahrenden Züge verschwand oder in der benachbarten Metrostation untertauchte.
Leise knurrend rieb er sich die Stelle über dem Herzen. Es war zu einem pochenden Schmerz geworden, der ihn im Sekundentakt daran erinnerte, dass er ohne
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