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Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Christo
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den Pakten, er brauchte sie wie ein Fötus die Nabelschnur. Sie waren seine Verbindung zur Welt. Wurden sie nicht bedient, schwand seine Macht, und er wurde schwächer und schwächer.
    Beliar kannte Saetan seit mehr als tausend Jahren. Er wusste, dass er etwas plante, denn wenn er sich seine Macht nicht bald zurückholte, würde sein Reich zerfallen, wie einst Babylon gefallen war. Saetan war nicht dumm. Er spürte die aufständischen Gedanken seiner Gefolgsleute, wusste um deren Illoyalität.
    Umgekehrt fühlten sie seinen wachsenden Groll. Etwas braute sich zusammen, er bezog neue Kraft aus einer unbekannten Quelle. Entweder, sie stoppten seinen Regenerationsprozess oder sie griffen an.
    Was immer sie vorhatten, sie mussten es schnell tun, denn sollten sie noch länger zögern, wäre es zu spät für einen Aufstand. Auch in geschwächtem Zustand war Saetan kein leichter Gegner. Wenn er sich weiterhin so schnell erholte, wäre es unmöglich, ihn zu besiegen.
    Beliar beobachtete, wie Blanche zu den Schließfächern schlenderte, und seine Miene verfinsterte sich. Was hatte sie vor?
    Er hasste den Gedanken, sie jetzt verlassen zu müssen, doch er spürte Aestarohs wachsende Ungeduld, darum entfaltete er die Flügel, trat zur Dachkante und schwang sich in die Luft.
     
    *
     
    Blanche blickte auf, doch über ihr befand sich nur das Dach des alten Bahnhofs. Dennoch hätte sie schwören können … Sie schüttelte den Kopf und gab einen frustrierten Laut von sich. Sie musste sich konzentrieren.
    Leise fluchend machte sie sich auf den Weg zu den Schließfächern, wo sie sich üblicherweise mit Miceal traf. Er machte auf Clochard, war aber alles andere als ein abgerissener Penner. Er gehörte zu der Fraktion der Erzengel und war ganz nebenbei ihr neuer Boss, auch wenn Enzo das anders sah. Miceal hatte Waynes Seele vor Seatan gerettet, doch wie alles im Leben hatte das seinen Preis. Im Gegenzug verpflichtete sie sich, für ihn zu arbeiten, also für das Gleichgewicht der Kräfte zu sorgen. So zumindest nannte Miceal ihre Jobbeschreibung. Ließ man die himmlischen Schleifchen und Troddeln um die Sprechblasen weg, hieß das im Klartext, dass sie Dämonen für ihn kaltmachte. Nachdem sie sich jahrelang mit menschlichem Abschaum abgegeben hatte, kam ihr diese neue Herausforderung wie gerufen.
    Heute war sie jedoch nicht hier, um einen Auftrag zu besprechen. Dies war etwas Persönliches, und dazu brauchte sie seine Hilfe.
    Wie immer saß der Engel im Schneidersitz unter dem Fach mit der Nummer 214 und las Le Monde . Woher er wusste, dass sie ihn sprechen wollte, war ihr schleierhaft. Vermutlich gehörte das zu den Top-Secret-Engel-Angelegenheiten, dass er immer dann hier herumlungerte, wenn sie ihn am dringendsten brauchte. So wie jetzt.
    Obwohl Miceal zu den höchsten Seraphen gehörte, hatte er überhaupt nichts Engelhaftes an sich. Übersetzt hieß sein Name „Krieger Gottes“, was schon eher zu seinem Erscheinungsbild passte.
    Wie üblich war er in einen fadenscheinigen Wintermantel eingewickelt, der ihm bis zu den Knien reichte. Darunter trug er eine dunkelgraue Hose, sonst nichts. Die übergroßen Füße steckten in braunen Panama-Stiefeln, die schon bessere Tage gesehen hatten. Mehrere silberne Ketten baumelten an seinem Hals, an denen eigenartig geformte Schlüssel hingen. Jeder wusste, dass die Bahnhofs-Schließfächer über ein Ziffernfeld verfügten, dennoch öffnete einer dieser Schlüssel das Fach 214, das chronisch „außer Betrieb“ war. Besser, man fragte ihn nicht danach.
    Als er den Kopf hob und sie der Blick seiner türkisfarbenen Augen traf, blieb ihr für einen Augenblick die Luft weg.
    Shit! Es war immer dasselbe. Das Leuchten seiner warmen Augen wirkte wie ein flüssiger Sonnenstrahl, der sich in ihrem Inneren ausbreitete. Wie er das machte, war ihr ein Rätsel. Es war, als würde er ein Stück Himmel verkörpern, das wie ein brennendes Versprechen auf sie wartete. Jeder normale Mensch wäre glücklich darüber, sie jedoch zog das hinunter, als hätte er ihr Bleigewichte verpasst. Die Traurigkeit in seiner Nähe wurde so groß, dass sie einen Kloß hinunterschlucken und sich räuspern musste.
    „Warum fühle ich mich in deiner Nähe eigentlich immer wie ausgekotzt?“, fragte sie und lehnte sich gegen eines der Fächer, die Arme vor der Brust verschränkt.
    Der Engel kratzte sich die Schläfe und wirkte tatsächlich verlegen. Trotz der schwarzen Wollmütze lugten die Spitzen seines silbrigen Haars am

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