Die Entscheidung
Als sie seinen Blick auf ihrer Brust bemerkte, verdrehte sie die Augen, setzte sich auf und zog das Laken über sich. Die Waffe lag noch immer in ihrer Hand. Traute sie ihm nicht?
„Was willst du?“, fragte sie und kratzte sich den Kopf.
Zum Teufel, sie sah so jung aus, fast wie ein Kind.
Marcel räusperte sich. „Nach dir sehen, was sonst.“
„Und hast du genug gesehen?“
„Bei Weitem nicht“, murmelte er, beugte sich vor und berührte mit den Fingerspitzen ihre Wange. Blanche war nicht so ruhig, wie sie vorgab. Sie zitterte.
„Blanche, mon cœr“, flüsterte er und zog sie in die Arme. Zuerst stemmte sie sich mit den Unterarmen gegen ihn, doch als seine Hand ihren nackten Rücken entlangfuhr, erschauderte sie und gab nach. Er vergrub seine Nase in ihrem Haar, nahm einen tiefen Atemzug und küsste ihre Stirn. „Ich habe dich vermisst“, murmelte er in ihre Mähne. Er spürte, wie sie sich bei seinen Worten verkrampfte, darum fuhr er mit der Hand über ihren Rücken, um sie zu beruhigen. Er wusste genau, wo er sie berühren musste, immerhin waren sie vier Jahre ein unzertrennliches Paar gewesen.
Als seine Lippen ihren Mund fanden, erschauderte sie abermals, doch sie schüttelte den Kopf.
„Ich kann nicht“, flüsterte sie und versuchte, sich aus seiner Umarmung zu befreien.
„Warum?“, fragte er und ließ seinen Daumen über einen Knoten zwischen ihren Schulterblättern kreisen.
Blanche stöhnte leise, schloss die Augen und lehnte ihre Stirn gegen seine.
„Warum hast du mich verlassen?“ Am liebsten hätte er sich auf die Zunge gebissen, denn nun stemmte sie die Arme fester gegen seinen Oberkörper, um ihn von sich zu schieben. Ihr Zittern nahm zu, was ihm ein wütendes Knurren entlockte. Ginge es nach ihm, hätte er sie sich über die Schulter geworfen und in sein Haus gebracht. Aber das hier war Blanche, nicht irgendein Liebchen, das in seinem Kasino arbeitete.
Wie zur Bestätigung schüttelte sie den Kopf.
„Ich habe jemanden kennengelernt.“
Das schon wieder.
„Hier ist niemand.“
„Er …“, eine Pause entstand, in der sie nach Worten suchte. Schließlich sagte sie: „Er hat mich verlassen“, und klang dabei so traurig, dass er nicht anders konnte, als sie fester in die Arme zu ziehen.
„Ich würde dich niemals verlassen, Blanche, für niemanden.“
Sie schüttelte den Kopf.
„Es ist kompliziert“, wisperte sie.
„Nein“, sagte er und fuhr mit seinen Lippen über ihre Stirn. „Wenn man jemanden liebt, ist es einfach.“ Er küsste ihre Lider und flüsterte: „Es wird leichter, vertrau mir.“
„Glaubst du ernsthaft, dass du mich liebst?“
Diesmal schüttelte er den Kopf, und endlich sah sie auf.
„Ich glaube es nicht, ich weiß es.“ Er konnte sehen, wie sie schluckte, dann nahm sie einen tiefen Atemzug und befreite sich aus seinen Armen.
„Marcel, ich kann das nicht. Ich bin … durcheinander und nicht bereit, mich auf jemanden einzulassen.“
„Ich werde warten“, sagte er.
„Tu das nicht. Es wird nichts ändern, ich kann das nicht mehr.“
„Was?“
Ihre freie Hand machte eine Bewegung, die den ganzen Raum einschloss. „Das alles!“ Sie schüttelte den Kopf und zog die Knie zu sich heran. „Ich bin nicht mehr die Frau, die du gekannt hast, verstehst du?“
„Was ich verstehe ist, dass du allein bist, und einsamer denn je.“ Er fuhr mit einem Fingerknöchel über ihre Wange, dann umfing er ihr Gesicht mit beiden Händen und hielt ihren Blick gefangen. „Blanche, mon cœr, du hast keine Vorstellung davon, was ich für dich tun würde.“
„Marcel“, begann sie und rückte von ihm ab. „Lass mich gegen, ich … ich bin nicht die, für die du mich hältst. Ich weiß nicht mal selbst, wer ich bin, und bis ich das für mich geklärt habe, muss ich allein sein.“
Damit sprang sie auf, rannte ins Bad und schloss die Tür.
Marcel lehnte sich zurück und stieß den Atem aus. Sie war eindeutig empfänglich für seine Berührungen gewesen. Und sie hatte Angst, vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben. Aber vor wem? Oder was?
*
Blanche zitterte am ganzen Körper, selbst ihre Zähne klapperten, war das zu fassen? Das heiße Wasser der Dusche half ihr, sich zu sammeln. Noch nie im Leben hatte sie sich so verletzlich gefühlt wie vorhin in Marcels Armen. Sie war so einsam, dass ihr alles wehtat, und Marcel war ihr so vertraut. Sein sauberer Geruch nach Seife und Minze, seine Berührungen. Dass sie sich von ihrem Dämon
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