Die Entscheidung
Schimmer, worum es in dem Krieg wirklich ging, der seit Wochen in der französischen Metropole tobte. Enzo schon. Einer von Saetans Fürsten war an ihn herangetreten, um ihm einen Pakt anzubieten. Doch Enzo legte Wert darauf, sich seine Geschäftspartner selbst auszusuchen, und Teufelsanbeter waren ihm so willkommen wie eine Pockeninfektion.
Er mochte Waffenhändler sein, ein Dealer, Erpresser, Zuhälter und ein Mörder. Aber deswegen ließ er sich weder vom Saetan noch von einem seiner Dienstboten sagen, was er tun und lassen sollte. Er hatte sein halbes Leben damit verbracht, durch den Scheißekanal zu kriechen, unter der Voraussetzung, irgendwann Frischluft zu schnuppern. Da würde er sich jetzt, da er endlich anfing, die Früchte seiner Arbeit zu genießen, von niemandem einschüchtern lassen, nicht mal vom Teufel persönlich. Er hatte genug innere Dämonen, die ihm zusetzten, diesen Mist konnte er wirklich nicht gebrauchen.
Davon abgesehen war er es gewohnt, das Ruder in die Hand zu nehmen. Da er bereits einen Dämon zur Hölle geschickt hatte, würde er nicht zögern, auch den Rest dieser Mischpoke ins Jenseits zu befördern. Diese Viecher hatten nichts in seinen Arrondissements zu suchen, dannatamente!
Dämonen waren im Moment allerdings nicht sein dringendstes Problem. Laut Marcels Bericht liefen die Geschäfte schlechter, als er befürchtet hatte. Nichts ging mehr. Die Stadt war wie ausgestorben, außer Militär und Gendarmerie, wagte sich kaum jemand aus dem Haus. Die Polizei durchstreifte die Straßen mit Spürhunden, angeblich, um Bomben zu finden, in Wahrheit ließen sie einen Drogenring nach dem nächsten auffliegen. Da ihm die lukrativsten Bezirke im Herzen der Stadt gehörten, wurde ihm der größte Schaden zugefügt. Die Prostituierten rund um den Bahnhof waren verschwunden, Bars nach Razzien geschlossen worden, Lagerhäuser verplombt. Es war zum Verrücktwerden.
Nicht genug, dass er nichts mehr einnahm, rotteten sich nun auch noch seine Feinde zusammen, um sich gegen ihn und Sergej zu verbünden. Aktuell kämpften die kleinen Organisationen ums Überleben und zogen sich in die Peripherie zurück, die Randorte von Paris. Bei ihnen war es wie bei einem angeschossenen Bären – mit einer Kugel im Pelz wurde er unberechenbar. Wenn er Pech hatte, schlossen sie sich Sergej an, dann wären sie ihm zahlenmäßig überlegen und könnten ihn einfach überrennen.
Zwanzig Jahre Arbeit umsonst.
Enzo hob eine Hand und unterbrach Marcels Redefluss.
„Genug davon, ich habe verstanden“, brummte er und ließ sich in den Sessel hinter dem wuchtigen Schreibtisch fallen.
„Was hast du jetzt vor?“, fragte Marcel und lehnte sich mit vor der Brust gekreuzten Armen gegen die Arbeitsplatte.
„Nizza, Toulouse und Marseille sollen ihren Gewinn nach Paris transferieren, ich brauche hier jeden Cent.“
„Das verschafft uns Zeit, ist aber keine Lösung.“
„Das weiß ich auch, glaubst du, ich bin stupido?“, fuhr er seinen Manager an. Enzo rubbelte sich mit beiden Händen durchs Gesicht und seufzte.
„Scusi, Marcel, ich bin zurzeit nicht ich selbst.“
Der Schweizer seufzte und rieb sich den Nacken.
„Ich weiß, Enzo. Als ich der Partnerschaft zugestimmt habe, hatte ich keine Ahnung, wie es um diese Stadt bestellt ist.“
„Und jetzt bereust du es, eh?“
*
Marcel zögerte.
„Nein“, sagte er leise, und war selbst überrascht, dass es der Wahrheit entsprach. Er bereute keine Minute in Paris, denn erst hier hatte er verstanden, was er für Blanche empfand. Als sie mit gerade mal sechzehn Jahren auf dem Parkplatz seines Lausanner Edelclubs aufgetaucht war, das blasse Gesicht vom rabenschwarzen Haar eingerahmt, hatte sie wie ein Engel ausgesehen. Ein Racheengel, um genau zu sein.
Ihre Augen hatten jede seiner Bewegungen verfolgt, als er sich ihr mit seinen Bodyguards näherte. Weder davor noch danach hatte er derart blaue Augen gesehen, die im trüben Licht der Straßenlaternen beinahe violett wirkten.
„Wenn ich wollte, könnte ich dich in drei Sekunden kalt machen.“ Das waren ihre ersten Worte gewesen, worauf er gelacht hatte. Zwei Sekunden später lagen seine Leibwächter wie Brezeln verrenkt auf dem Boden, und er hatte ein Messer am Hals. Doch sie wollte ihn nicht töten, sie brauchte einen Job und einen Schießstand, um in Form zu bleiben.
Sie hatte ihn sofort verzaubert, dennoch hat es ein Jahr gedauert, bis ihm ein Blick auf ihre weiche Seite vergönnt war. Die verletzliche
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