Die Entscheidung
du zwei riesige Veilchen hattest.«
»Ich weië, antwortete Lauren ungewohnt kleinlaut. »Aber das ist vorbei, und egal was Ron getan hat, er ist immer noch mein Vater.«
James schüttelte verständnislos den Kopf, sagte aber nichts mehr. Sein Weihnachtsurlaub auf dem Campus sollte eine fröhliche Angelegenheit werden, und auÃerdem wusste er, wie dickköpfig Lauren war, daher würde er erst recht nichts erreichen, wenn er sich mit ihr über diese Sache stritt.
»Hast du eigentlich noch mal darüber nachgedacht, ob du deinen Vater sehen willst?«, fragte Kerry.
James nickte kauend. Es dauerte ein wenig, bis er geschluckt hatte und antworten konnte. »Das war merkwürdig. An meinem ersten Tag an der Uni haben
sie uns eine Liste mit Büchern gegeben, die wir brauchen. Ich sitze also in meinem Zimmer in Stanford und bestelle mir die Bücher bei Amazon. Und da sehe ich, dass bei einem der Mathematikbücher Professor James Duncan der Koautor ist. Mir fällt fast der Laptop vom Bett, und mein Zimmerkumpel Chris fragt: âºWas ist los?â¹ Und ich sage: âºIch glaube, ich habe gerade festgestellt, dass eines meiner Mathebücher von meinem Dad geschrieben wurde.â¹ Ich hatte das Gefühl, als sei das ein Zeichen oder so. Besonders da ich doch gerade erst angekommen war und ein wenig Heimweh hatte. Also hab ich die E-Mail-Adresse meines Dads ausgegraben und ihm eine Nachricht geschickt. Ein paar Tage später hab ich eine Antwort bekommen und seitdem stehen wir in E-Mail-Kontakt.«
»Dann willst du dich also mit ihm treffen?«, lächelte Lauren.
»Ja«, nickte James. »Und mit meiner kleinen Halbschwester Megan. Sie ist fast vier. Und ich habe auch einen kleinen Bruder namens Albert  â offenbar nach Albert Einstein benannt.«
»Wann willst du ihn besuchen?«, fragte Kerry.
James zuckte mit den Achseln. »Wir haben keinen Termin ausgemacht, weil ich nicht wusste, was hier sonst so läuft. Aber ich habe drei Wochen Zeit, bevor ich wieder in die Staaten muss.«
»Und wie erklärst du ihm deine Jahre bei CHERUB?«, wollte Lauren wissen.
»Ich hab ihm die Standardversion erzählt, dass ich
nach Mums Tod in verschiedenen Pflegeheimen aufgewachsen bin«, antwortete James. »Das hatten wir schon vorbereitet, bevor ich den Campus verlassen habe.«
»Und? Hat dir dein Vater die Lösungen für die Aufgaben im Buch verraten?«, lächelte Kerry.
»Nein«, lachte James. »Aber er hat mir mal geholfen, als ich bei einer Mathehausaufgabe den totalen Durchhänger hatte. Scheint ein netter Kerl zu sein. Ich freue mich wirklich darauf, hinzufahren und ihn kennenzulernen.«
»Und was hast du in Kalifornien sonst so getrieben?«, fragte Lauren. »Wie ist dein Zimmerkumpel?«
»Du hast doch zuerst geglaubt, er sei schwul, oder?«, fragte Kerry.
»Bis ich mal ins Zimmer zurückgekommen bin und ihn auf einem Riesenweib erwischt hab. Oh Chris, oh Chris, du bist so guuut! «
Lauren und Kerry lachten, und James war froh, endlich wieder bei ihnen zu sein und über so vieles reden zu können.
Eine Stunde später stoppte Kerry den silbernen Mercedes am FuÃe eines grünen Hügels. Sie hielt sich ein paar Meter hinter James, der durch das lange Gras stapfte, in einem Arm Blumen, den anderen um Laurens Schulter gelegt.
GroÃbritannien ist ein kleines Land und so werden
die Londoner Bürger immer zu sechst begraben und der Abstand zwischen den höchstens vierzig Zentimeter hohen Grabsteinen beträgt nur einen halben Meter. Vor einem ebensolchen Grabstein, einem Rechteck aus rosa Marmor, blieben James und Lauren stehen. Das Blattgold der Inschrift begann bereits abzublättern:
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Gwendoline Choke
Mai 1966Â Â â September 2003
Schmerzlich vermisst von James und Lauren
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Darunter war das Bild eines cartoonhaft wirkenden Engels eingraviert, der vor einem Regenbogen stand und in ein Horn blies.
»Kaum zu glauben, dass ich damals dieses kitschige Motiv ausgewählt habe«, befand Lauren kopfschüttelnd, als sie den Stein betrachtete.
»Du warst erst neun«, sagte James tröstend. »Wenn ich hätte wählen dürfen, wäre es wahrscheinlich das Wappen von Arsenal geworden.«
Lauren nahm ihren Rucksack ab und holte eine Flasche Seifenwasser und einen Schwamm heraus, um den Stein sauber zu machen. James riss ein wenig Unkraut aus dem
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