Die Entscheidung der Hebamme
fast feierlichem Ton.
Als Christian mit ihm den Kräutergarten verließ, sah er ein paar Schritte weiter schon den kleinen Küchenjungen warten, der sofort losrannte, als der Weg für ihn frei war.
Bevor sie die Stallungen erreichten, nahm Christian seinen Schützling noch einmal beiseite und schärfte ihm mit gesenkter Stimme ein: »Auch wenn es dir ungerecht erscheinen mag … Es ist wohl ganz gut, dass der Markgraf keine Einzelheiten eures Streites wissen wollte.«
Dietrich blickte ihn fragend an.
»Dein Vater ist sehr anfällig für Anschuldigungen gegen deine Mutter«, sagte Christian ohne weitere Erklärungen.
Dietrich musste nicht wissen, dass Otto einmal sogar ihn in den Kerker hatte werfen lassen, nachdem er der Lüge aufgesessen war, Hedwig habe eine Affäre mit ihm. Auch für die Markgräfin hatte das eine Nacht in Fesseln bedeutet, bis Christians Freunde das Komplott enthüllen konnten.
Das Alter würde Ottos Eifersucht und seine Empfänglichkeit für Einflüsterungen nicht mildern. Und Christian war sich nicht sicher, ob Otto beim nächsten Mal noch eine Nacht warten würde, bis er seine Frau bestrafte, wenn er glaubte, sie würde ihn betrügen. Diesmal würde er sie womöglich gleich töten.
Zehn Tage war die Reisegesellschaft nach Christiansdorf unterwegs.
Christian hatte darauf verzichtet, zusätzlichen Geleitschutz in seine Dienste zu nehmen, obwohl er nun für Sicherheit und Leben eines markgräflichen Sohnes verantwortlich war. Als kleine Gruppe reisten sie nicht nur schneller, sondern auch unauffälliger, hatte er Dietrich erklärt. Und er vertraue vollkommen auf das Waffengeschick seiner Männer.
Seine Worte verwunderten Dietrich kaum. Dass Christian als begnadeter Schwertkämpfer und Reiter galt, wusste er bereits seit seiner Kindheit. Schon damals hatte er ihn grenzenlos bewundert und so manche Reitlektion von ihm erteilt bekommen. Er wusste ebenso, dass Christians einstiger Knappe Lukas seinem Lehrmeister in nichts nachstand. Doch auch die übrigen Männer in seiner Begleitung und die Reisigen waren überdurchschnittlich gut im Umgang mit dem Schwert.
Jeden Abend während der ansonsten recht ereignislosen Reise konnte sich Dietrich davon überzeugen. Denn dann ließ ihn Christian ohne Rücksicht auf die Strapazen des Weges zu harten Schwertkampflektionen antreten. Er war fest entschlossen, dem Jungen eine gnadenlose Ausbildung zukommen zu lassen. Nur so würde der Siebzehnjährige das überstehen, was vor ihm lag.
Doch tagsüber, wenn der Weg breit genug war für zwei Pferde nebeneinander, ritt auf seine Bitte hin zumeist Lukas neben Dietrich. Christian baute darauf, dass sein jüngerer Freund mit dem unerschütterlichen Humor dem Siebzehnjährigen das Herz etwas leichter machen würde.
Die beiden anderen Knappen, die mit ihnen reisten, waren kaum vierzehn Jahre alt, hatten ihre Pagenzeit gerade erst hinter sich gelassen und mühten sich redlich, vor den kritischen Augen von Christian und Lukas zu bestehen.
Dietrich beobachtete während der Reise alles aufmerksam, um die Menschen besser kennenzulernen, mit denen er die Zeit bis zu seiner Schwertleite verbringen würde, sofern sein Vater es sich nicht anders überlegte. Dabei fielen ihm einige ungewöhnliche Dinge auf. Die Männer, die Christian folgten, taten dies aus freiem Willen und aus Bewunderung für ihn. Er musste weder Kommandos schreien noch Strafen androhen oder gar verhängen, damit sie seine Befehle befolgten. Zumeist genügten ein knappes Wort oder ein Blick, und sie wussten, was er von ihnen erwartete. Mit seinem Freund Lukas schien er sich häufig ganz und gar wortlos zu verständigen.
Besonders aber faszinierte es den Siebzehnjährigen, aus nächster Nähe das Verhältnis zwischen Christian und Marthe zu erleben.
Die zierliche, zerbrechlich wirkende Frau des Burgvogtes wirkte wie in eine unsichtbare Wolke aus Trauer gehüllt. Doch wenn ihr Blick auf Christian fiel, schien sie von innen heraus zu strahlen. Er konnte sich nicht erinnern, dass sein Vater je seine Mutter so angesehen hätte wie Christian seine junge Frau. Wenn er Marthe aus dem Sattel half oder ihr schützend einen Umhang gegen die Abendkälte umlegte, hatte das wenig Ähnlichkeit mit der steifen Höflichkeit, die er im Umfeld des Kaisers kennengelernt hatte. Es waren keine schmeichelnden Worte oder großen Gesten, sondern es äußerte sich eher in Kleinigkeiten, die nur ein aufmerksamer Beobachter bemerken konnte. Christian schien seine Frau
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