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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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ein Kreuz.
    Dann wandte er sich an die neben ihm knienden Menschen. »Ihr könnt wieder an eure Arbeit gehen. Es gibt hier nichts weiter zu sehen. Und macht keinen Lärm, habt ihr verstanden?«
    Wortlos erhoben sich die Dorfbewohner und entfernten sich. Mancher von ihnen bekreuzigte sich mit ängstlicher Miene ebenfalls.
    »Warum fürchten sie sich so vor den Berggeistern?«, erkundigte sich Dietrich leise bei Lukas, der neben ihm stand.
    »Weil von deren Launen ihr Leben abhängt«, erhielt er zur Antwort. Entgegen seiner Art spottete Lukas diesmal nicht, sondern schlug gleichfalls ein Kreuz. »Übelgestimmte Berggeister können die Grube einstürzen lassen und die Männer unter dem Gestein begraben. Doch wer sich gut mit ihnen stellt, dem schenken sie vielleicht einen Krug voll Silber. Oder sie verwandeln taubes Gestein in reichhaltiges Erz. So zumindest erzählen es die Geschichten aus alter Zeit.«
    Inzwischen hatte sich die Menschenansammlung aufgelöst. Übrig geblieben war nur eine Gruppe von vier Männern: der graubärtige Bergmeister und drei Bergleute, in deren geschwärzten Gesichtern fassungslose Freude geschrieben stand. Auch unter all dem Staub und Schmutz, die sich ihnen in die Haut eingefressen hatten, war zu erkennen, dass sie nahe Verwandte sein mussten, vielleicht ein Vater mit seinem Sohn und Bruder oder Vetter.
    »Der Herr hat uns gesegnet«, stammelte der Älteste von ihnen. »Er hat in Seinem unterirdischen Reich einen Gang von fast reinem Silber wachsen lassen.«
    »Nun«, wandte sich Christian an Dietrich, »dein Vater wird froh sein, das zu hören.«
    Ein verstohlenes Lächeln huschte über sein fast immer ernstes Gesicht. »Wo Rotgüldigerz steckt, kreuzen sich zwei Erzgänge. Das heißt, die Bergleute können nun auch quer zur bisherigen Gangstrecke graben und haben Aussicht auf besonders reichhaltiges Erz, zuweilen sogar gediegenes Silber«, erklärte er seinem neuen Schützling.
    Bergmeister Hermann lud sie ein, das Vorkommen zu besichtigen. Sie saßen ab und folgten ihm zur Grube.
    »Sag bloß nicht ›Silberader‹«, raunte Lukas Ottos Sohn zu. »Die Bergleute haben ihre eigene Sprache. Ader heißt bei ihnen Gang, ihre Leitern heißen Fahrten, und ganz gleich, ob sie unter Tage gehen, steigen oder kriechen – sie nennen es immer ›fahren‹.«
    Verblüfft sah Dietrich, dass sich Christian offenkundig nicht zu schade war, die Leitern – oder Fahrten – hinab über mehrere Absätze in die Grube zu klettern, die fast drei Mannslängen in die Tiefe reichte.
    »Komm mit und sieh dir aus der Nähe an, woraus der Reichtum deines Vaters entsteht!«, wurde er aufgefordert. So folgte er Christian und dem Bergmeister, bemüht, das kostbare Obergewand nicht zu beschmutzen.
    Unten angekommen, erlebte er die nächste Überraschung. Blutrote Körner im Gestein waren es, auf die der Bergmeister stolz verwies.
    »Das ist Silber?«, fragte Dietrich verwundert.
    »Ja, junger Herr, fast gediegen«, beschied ihm der Bergmeister. Dann hob er einen schwarzen Klumpen auf, aus dem etwas wie ein gekrümmter schwarzer Faden ragte.
    »Und das hier ist gediegen Silber, eine Silberlocke«, erklärte der Bergmeister.
    Der junge Mann wunderte sich immer mehr. Er hatte silbrig glitzernde Adern erwartet, die sich durch das Gestein zogen. Wie wurden aus diesen tiefroten und schwarzen Brocken hell glänzende Münzen? Auf einmal überkam ihn die Neugier, zu erfahren, was wohl für dieses wahrhaftige Wunder alles vonnöten war.
    Doch der Bergmeister wandte sich bereits ab, um wieder nach oben zu steigen – oder zu fahren, wollte Dietrich Lukas glauben.
    »Wir sollten uns beeilen«, meinte Hermann, und Christian nickte zustimmend.
    Erwarteten sie etwas Bestimmtes?, fragte sich Ottos Sohn.
    Offenkundig. Denn kaum hatten sie die Oberfläche wieder erreicht, blickten Hermann und Christian suchend nach links und rechts. Jetzt entdeckte auch Dietrich, dass in etwa zwei Steinwürfen Entfernung in beide Richtungen Männer hastig mit Keilhauen auf den Boden einhieben. Er hätte schwören können, dass diese Männer vorhin noch nicht dort gewesen waren.
    »Sie folgen der Linie des kreuzenden Ganges«, erklärte Christian. »Sie hoffen, dort eine neue, reiche Fundstelle aufzuschließen. Wer zuerst auf Erz stößt, kann beim Bergmeister das Grubenfeld beanspruchen.«
    »Und sie dürfen überall graben, selbst auf den Äckern der Bauern?«, erkundigte sich Dietrich erstaunt.
    »Ja«, antwortete Christian, über dessen Gesicht

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