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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Schlaf seinen Namen gerufen zu haben, und war nachträglich froh, ihren jüngeren Sohn nach seinem Oheim benannt zu haben. Jeder mochte denken, sie meine den Sohn, falls ihr der Name im Traum oder im Fieber über die Lippen kam.
    Marthe verstand sofort, was mit Hedwigs letztem Satz gemeint war. Auch der Markgräfin musste klar sein, dass sie eine weitere Schwangerschaft um jeden Preis vermeiden musste. Otto zu überzeugen, seiner Frau nachts fernzubleiben, war in solcher Direktheit undenkbar, selbst wenn er sich an schönen Gespielinnen schadlos halten konnte. Doch auf verbotene Weise dafür zu sorgen, dass dem Markgrafen keine legitimen Erben mehr geboren wurden, war Hochverrat und konnte ihnen beiden den Tod bringen, sollte jemand davon erfahren. Dieses Gespräch durften sie nicht hier führen, wo niemand wusste, wer hinter der dünnen Leinwand des Zeltes stand und lauschte.
     
    Die Reise hatte erwartungsgemäß Hedwigs Zustand verschlechtert, und Marthe bekam nach der Ankunft auf dem Burgberg mehr als genug zu tun. Sie hatte noch nicht einmal Gelegenheit, nach ihrem Sohn zu sehen. Doch sie würde Thomas ohnehin nur mit offizieller Erlaubnis treffen dürfen, wenn er sich nicht nachsagen lassen wollte, ein Muttersöhnchen zu sein und noch dazu seine Pflichten zu vernachlässigen.
    Erst am Abend war sie mit Hedwig endlich in der Kemenate allein und konnte sicher sein, dass niemand sie belauschte. Die Markgräfin lag, in weiche Felle gehüllt, auf dem Bett und hielt die Augen geschlossen.
    Plötzlich sah sie Marthe direkt ins Gesicht.
    »Wird Ottos Bruder das Gottesurteil mit dem Löwen ausfechten?«
    Zu ihrer Bestürzung zeichnete sich mit einem Mal tiefe Betroffenheit auf Marthes Gesicht ab.
    Ängstlich krallte Hedwig die Finger in das Laken und schnappte nach Luft. Ahnte die hellsichtige junge Frau Dietrichs Tod voraus?
    »Nein, es ist nicht, was Ihr befürchtet«, erklärte Marthe hastig. Dann senkte sie den Kopf.
    »Ich fürchte, mich hat diese Begabung verlassen …«
    Als Hedwig sie überrascht ansah, begann sie, stockend zu erzählen. »Unmittelbar vor der Abreise aus Magdeburg habe ich einer blinden Frau, die mit den Bettlern vor dem Dom kauerte, ein Almosen gegeben und Brot bringen lassen. Wenig später erfuhr ich, dass sie erschlagen wurde – um dieses Brotes willen … Ich hätte es voraussehen sollen!«
    Marthe schüttelte so hastig den Kopf, als Hedwig etwas sagen wollte, dass die Flamme der Kerze neben ihr flackerte.
    »Jeder hätte es vorausgesehen!«, klagte sie sich selbst an. »Über dem Reichtum in Christiansdorf habe ich vergessen, wozu Hunger und Neid die Menschen treiben. Ich wollte Gutes tun und brachte ihr den Tod.«
    Mutlos ließ sie den Kopf hängen.
    »Manchmal geschieht es, dass wir Gutes wollen und daraus ohne unsere Schuld Böses erwächst«, murmelte Hedwig. Sie hatte mit dem Kniefall vor Otto ihrem Sohn helfen wollen. Doch statt Milde rief sie damit Rachsucht bei ihrem Mann hervor. Erst nachdem sie das Kind verloren hatte, schien sich Otto ihr wieder mit Fürsorge und nicht mit Hass zuzuwenden. Nur so konnte sie ihre selbst auferlegte Pflicht erfüllen und seine gelegentliche Willkür mildern.
    Dennoch erfüllte sie Trauer. Sie würde nie erfahren, ob es Ottos oder Dietrichs Kind gewesen war, das sie verloren hatte. Vielleicht war das sogar gut so. Sie wagte nicht, zu Ende zu denken, was geschehen wäre, wenn Otto nicht davon ausgehen konnte, er habe dieses Kind gezeugt. Nachträglich sollte sie froh sein, dass ihr Mann sie in jener demütigenden Nacht aufgesucht hatte.
    War das alles hier die Strafe für ihre furchtbare Sünde, für ihren Ehebruch? Doch wie konnte die große, unsterbliche Liebe, die Dietrich und sie füreinander empfanden, Sünde sein?
    Wenn ich Otto von meinem Bett fernhalten kann, muss ich verhindern, dass ich von Dietrich schwanger werde, dachte Hedwig verzweifelt. Und überhaupt – in ein paar Jahren werde ich vierzig, das ist zu alt, um noch ein Kind zu tragen!
    Auf welchen Wegen auch immer, Marthe war mit ihren Überlegungen an dem gleichen Punkt angelangt wie die Markgräfin. »Ihr solltet keine Kinder mehr bekommen«, flüsterte sie, und Hedwig nickte stumm.
     
    Überraschend schnell entsprach Otto Marthes Wunsch nach einem vertraulichen Gespräch.
    »Die nächste Schwangerschaft könnte den Tod für Eure Gemahlin bedeuten«, sagte sie leise, aber ohne Umschweife, als sie vor dem bedrohlich dreinschauenden Markgrafen stand.
    »Unfug, ihre Mutter hat

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