Die Entscheidung der Hebamme
Gemahl des Nachts?«, fragte Marthe.
Diese Fragen mochten der verängstigten jungen Frau reichlich direkt vorkommen, aber letztlich konnte sie ihr dies nicht ersparen, wenn sie wirklich Rat wollte.
Das Mädchen löste sich aus der Umarmung und versuchte, den Schleier zurechtzurücken – ein hoffnungsloses Unterfangen, so sehr zitterten ihre Finger. Marthe half ihr dabei.
»Es ist … furchtbar … aber ich will es erdulden«, schluchzte Cäcilia. »Je eher ich schwanger werde und ihm einen Sohn gebäre, umso besser wird es für mich sein …«
»Ihr seid noch zu jung zum Gebären«, wandte Marthe vorsichtig ein.
Nur, wer sollte Ekkehart dies klarmachen, wenn er nicht schon von sich aus darauf kam? Sie selbst war die Letzte, die sich hier einmischen durfte.
Mit ihrem Einwand löste sie nicht wie erwartet einen neuerlichen Tränenfluss aus, sondern erntete einen hoffnungsfrohen Blick. »Wenn ich schwanger bin, muss er Rücksicht auf seinen ungeborenen Sohn nehmen, nicht wahr?«, schniefte die junge Frau. »Dann wird er mich in Ruhe lassen.«
Dunkle Ahnungen krochen in Marthe empor, während sie ihre verzweifelte Besucherin betrachtete.
Wer in einer Bauernkate aufwuchs, wo sich das gesamte Leben in einem einzigen Raum abspielte und nicht selten die ganze Familie eine Schlafstatt teilte, der hatte zumindest eine ungefähre Vorstellung davon, was im Ehebett geschah.
Aber Mädchen wie Cäcilia wurden im Kloster erzogen, wo man tunlichst darauf achtete, dass die künftigen Ehefrauen nichts erfuhren über die Dinge zwischen Mann und Frau. Im Gegenteil, ihnen wurde noch eingeschärft, dass es sündhaft und widerlich sei, was ihnen in der Hochzeitsnacht widerfahren würde, dass sie es aber als Akt der Demut und der Unterwerfung zu erdulden hätten.
Sie konnte nicht anders, als sich Ekkeharts junge Frau im Brautbett vorzustellen: ahnungslos und verängstigt mit einem Mann, den sie kaum kannte und der zwanzig Jahre älter, streng und unnachgiebig war. Diese Brautnacht – nach einer sicher kostspielig gefeierten Hochzeit – unterschied sich womöglich gar nicht so sehr von jenem schrecklichen Tag, als Marthe ihre Unschuld verlor. Nur dass Cäcilia lediglich einen Mann zu erdulden hatte, nicht vier, und Marthe Ekkehart immerhin so viel Rücksicht unterstellte, dass er seiner Braut nicht die Sachen gewaltsam vom Leib riss, sie zu Boden stieß und fesselte, bevor er sich auf sie warf.
Was sollte sie ihr nur raten?
Sie rief sich ein Gespräch mit jener alten weisen Frau in Erinnerung, die sie auf Ekkeharts Befehl gesund gepflegt hatte, nachdem sie aus dem Kerker befreit worden war. Vielleicht würde ein Kind Ekkehart wirklich freundlicher gegen seine junge Frau stimmen. Denn damals hatte sie erfahren, dass Ekkehart seine erste Frau und ihr gemeinsames Kind verloren und lange um sie getrauert hatte.
Doch wichtiger schien ihr, dass Cäcilia die Furcht vor ihrem Mann verlor. Sie musste es schaffen, ihn für sich einzunehmen, auch wenn sie nicht gleich Kinder austrug. Denn diesem zarten, blutjungen Ding zu einer baldigen Schwangerschaft zu verhelfen, die sie vielleicht das Leben kosten konnte, wollte Marthe nicht verantworten.
»Lebt die alte Hilda noch, eine weise Frau, die unweit der Burg Eures Gemahls wohnte?«, fragte sie nachdenklich.
»Die Kräuterhexe?«, wisperte Cäcilia erschrocken. »Ich habe sie erst ein Mal gesehen, sie war mir unheimlich. Die Leute sagen, sie sei eine Zauberin.«
»Nein, Ihr müsst sie nicht fürchten. Sie ist eine sehr erfahrene Heilerin, die sich mit Kräutern gut auskennt. Sie hat mir das Leben gerettet, als ich auf den Tod krank lag …«
»
Ihr
wart die geheimnisvolle Fremde, die mein Gemahl im Bergfried versteckt hat, nicht wahr?«, fragte Cäcilia mit großen, staunenden Augen. Dann ließ sie den Kopf sinken. »Ich glaube, er liebt Euch immer noch … Deshalb wird er mit mir nie zufrieden sein – weil ich nicht bin wie Ihr …«, murmelte sie.
»Das dürft Ihr nicht sagen!«, widersprach Marthe energisch. Sie fasste ihr Gegenüber an den Schultern, richtete sie auf und sah ihr fest in die vom Weinen verquollenen Augen. »Bittet Euren Gemahl, die alte Hilda um Rat fragen zu dürfen, damit Ihr ihm starke Söhne gebären könnt. Er wird auf sie hören – selbst wenn sie ihn auffordert, sich noch zu gedulden, bis er Euch schwängern kann. Bei Eurer Jugend ist das keine Lüge.«
»Und er wird sich danach richten?«, flüsterte Cäcilia zweifelnd.
»Ja. Bezwingt Eure
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