Die Entscheidung der Hebamme
zusammengekrümmt im trockenen Gras lag. Hedwig wandte ihr das schmerzverzerrte Gesicht zu.
»Es blutet immer noch«, sagte sie leise. »Mir ist so kalt.«
Marthe zog den Umhang auseinander, in den die Markgräfin gehüllt war, und sah den großen roten Fleck.
Rasch griff sie nach Hedwigs Händen, die beunruhigend kalt waren, und rieb sie. »Fürchtet Euch nicht! Gleich wird es besser«, sagte sie. Dann sah sie Susanne an. »Lass sauberes Wasser bringen! Und noch mehr Felle und warme Umhänge.«
Sofort stand Susanne auf und ging hinaus.
Als sie mit Hedwig allein war, ließ sich Marthe berichten, was geschehen war. Die Markgräfin hatte tatsächlich ein Kind verloren, noch zu einem so frühen Zeitpunkt, dass sie anfangs nicht einmal sicher sein konnte, ob sie schwanger war. Für das Kind vermochte Marthe nichts mehr zu tun. Das oblag den Geistlichen, die den Hofstaat begleiteten, sofern sie entschieden, dass es schon eine Seele hatte, die gerettet werden musste. Doch der Blutverlust stimmte Marthe besorgt, zusätzlich zu der Gefahr, dass ein Fieber nach Hedwig griff.
Susanne kam zurück, beladen mit zwei ledernen Eimern voll Wasser. Marthe reinigte sich gründlich die Hände und begann, das Blut von Hedwigs Leib und Beinen zu waschen. Sie wagte nicht, der zähneklappernden Markgräfin einen Stein im Feuer aufheizen und zum Wärmen bringen zu lassen, weil das die Blutung vielleicht noch mehr anregen würde, sondern sie kleidete sie mit Susannes Hilfe in saubere Gewänder und legte sie behutsam auf ein großes Fell, damit sie nicht länger auf nackter Erde ruhen musste. Marthe packte kalte Umschläge auf Hedwigs Leib, rieb ihr die Füße, bis sie warm wurden, flößte ihr Akeleitinktur gegen das Fieber und einen Sud aus Mutterkraut gegen die Krämpfe ein. Dann häufte sie wärmende Decken über sie.
Allmählich hörte Hedwig auf zu frieren, doch sie war unendlich müde.
»Wie geht es Dietrich?«, fragte sie mit schmerzverzerrtem Gesicht, als Marthe schon hoffte, sie würde einschlafen.
Marthe lächelte ihr zu. »Mein Gemahl ist des Lobes voll, obwohl er ihm keine Nachsicht gönnt und ihn wirklich hart fordert. Er meint, Dietrich würde ein wahrhafter Ritter werden. Nicht nur im Umgang mit Schwert und Lanze.«
Erleichtert schloss Hedwig die brennenden Augen.
Vor dem Zelt machte sich jemand hüstelnd bemerkbar.
Susanne stand auf, um nachzuschauen, was es gab.
»Der Markgraf lässt fragen, ob wir bald weiterreiten können«, hörte Marthe eine Männerstimme sagen.
»Ich bin gleich wieder bei Euch«, flüsterte sie Hedwig zu und lief rasch nach draußen.
»Das ist undenkbar«, beantwortete sie bestimmt die ungeduldige Frage. »Die Fürstin kann jetzt unmöglich auf ein Pferd.«
»Und wenn wir sie auf einer Trage zwischen zwei Pferden transportieren?«, beharrte Ottos Gefolgsmann.
»Nein. Sie darf nicht aufstehen«, sagte Marthe entschlossen. »Wir müssen erst abwarten, wie sie die Nacht übersteht.«
Sichtlich unzufrieden, stapfte der Bote los, um die schlechte Nachricht zu überbringen.
»Bitte meldet dem Markgrafen, sofern er es wünscht, werde ich ihm berichten, nachdem ich die Dame Hedwig versorgt habe«, rief Marthe ihm noch hinterher.
Dann ging sie zurück ins Zelt und beobachtete die Markgräfin voller Mitgefühl, bevor sie sich wieder neben sie kauerte. Eine Frau aus vornehmstem Hause, reich wie nur wenige, doch in dieser schweren Stunde lag sie auf dem Erdboden wie eine Bäuerin, die auf dem Acker niederkam. Nicht einmal all das Silber in den Truhen ihres Mannes konnte ihr helfen.
Als Hedwig eingeschlafen war und Susanne über ihre Herrin wachte, ging Marthe hinaus.
Der junge rothaarige Ritter, der sie aus Christiansdorf abgeholt hatte, wartete bereits auf sie. Er erhob sich von dem Felsbrocken, auf den er sich gesetzt hatte, und ging auf sie zu. »Der Markgraf wünscht Euch unverzüglich zu sehen, sobald Ihr die Herrin allein lassen könnt.«
Marthe ließ sich von ihm zu Otto führen.
»Wann können wir aufbrechen?«, verlangte der Meißner Markgraf zu wissen.
»Eure Gemahlin muss in den nächsten Tagen unbedingt ruhen. Wenn Ihr sie in den Sattel lasst, kann ich für die Folgen nicht einstehen.«
»Sollen wir alle hier etwa wie Wegelagerer kampieren?«, schnaubte der Markgraf entrüstet. »Was denkt Ihr Euch?«
Marthe bemühte sich, nicht zurückzuweichen. Niemand, dem etwas an Leben und Besitz lag, widersprach dem Markgrafen. Und von einer Frau würde er sich schon gar nichts
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