Die Entscheidung der Hebamme
sagen lassen. Doch die Auskunft, dass er jetzt nicht mit seiner Gemahlin weiterreiten konnte, war noch harmlos im Vergleich zu dem, was ihr bald bevorstand. Denn wollte sie Hedwigs Leben retten, musste sie Otto davon überzeugen, dass seine Frau nicht mehr schwanger werden durfte. Ein Gespräch, das nur unter vier Augen möglich war und für dessen Ausgang sie nicht bürgen mochte. Nicht auszuschließen, dass er sie fortjagte, ihr den Rang absprach und Christian gleich noch mitbestrafte.
»Eure Gemahlin ist dem Tod nur knapp entronnen«, sagte sie. »Fürs Erste. Es ist noch nicht entschieden.«
Otto blickte sie erschrocken an.
»Wie geht es ihr?«, fragte er dann, und ein fremdartiger Ausdruck zog über sein Gesicht. Man könnte fast meinen, es sei ein Anflug schlechten Gewissens.
»Sie hat viel Blut verloren. Und ich befürchte, dass sie zu fiebern beginnt.«
Entgegen seiner Gewohnheit sagte Otto kein Wort. Dann fuhr er sich mit einer Hand übers Gesicht, wie um eine übergroße Müdigkeit zu vertreiben. Ja, er hatte Hedwig erniedrigen und demütigen wollen. Aber sterben sollte sie nicht, um keinen Preis. Dafür war sie ihm zu teuer.
»Ich will sie sehen«, sagte er schließlich und stapfte los.
Marthe hastete ihm nach und überlegte, wie sie ihn davon abhalten konnte, die Markgräfin aufzuwecken. Hedwig sollte im Schlaf Kräfte gegen das Fieber sammeln. Doch zu ihrer Überraschung verharrte der Markgraf schweigend im Eingang des Zeltes. Eine ganze Weile stand er regungslos dort, bis er schließlich umkehrte.
Er winkte einen seiner Ritter heran, der ein paar Schritte entfernt wartete. »Die Damen und Jungfrauen sollen mit ausreichend Geleit auf den Burgberg zurückkehren. Alle anderen warten hier mit mir, bis meine Gemahlin in der Lage ist, die Reise fortzusetzen. Lasst die Zelte aufbauen!«, befahl er.
Der Ritter nickte und ging davon.
Leise schlüpfte Marthe ins Zelt.
»Was war das eben?«, flüsterte Susanne. »Er hat sie nur angestarrt und ist dann ohne ein Wort gegangen.«
Marthe zuckte die Schultern. Sie wusste es nicht. Aber sie hoffte, der Markgraf wäre in seiner Reue zu den gleichen Schlussfolgerungen gekommen wie sie.
Die Drohung
Da nun feststand, dass sie vorerst nicht nach Christiansdorf heimkehren konnte, schickte Marthe Kuno mit einer Nachricht nach Hause. Weil dies vor aller Ohren und Augen geschah, flocht sie ein geheimes Schlüsselwort in die Botschaft als Zeichen dafür ein, dass alles in Ordnung war. Christian würde verstehen. Am liebsten hätte sie ihm einen Brief mitgegeben. Seit sie einen eigenen Kaplan im Haushalt hatten – eine Vorsichtsmaßnahme, damit sie nicht im Dorf bei Pater Sebastian beichten musste, der nur darauf wartete, ihr etwas anzuhängen –, hatte sie begonnen, Lesen und Schreiben zu lernen. Auch das verbarg sie hier besser. Die meisten Männer hier um sie herum würden meinen, so etwas gezieme sich nicht für eine Frau wie sie.
Dann ging sie zurück in Hedwigs Zelt.
Sie war noch nicht müde, aber um nichts in der Welt würde sie jetzt freiwillig die schützenden Leinwände verlassen.
Seit ihrer Ankunft fühlte sie sich von den Blicken eines Mannes in Christians Alter mit strengem, kantigem Gesicht verfolgt, die sie zutiefst beunruhigten, ja, ängstigten. Sie hatte mehr als einen Grund, dem Befehlshaber von Ottos Leibwache aus dem Weg zu gehen, so gut es sich einrichten ließ. Doch wie es aussah, würde sie nun Ottos Hofstaat nach Meißen begleiten müssen, sobald die Markgräfin reisen konnte.
Die beunruhigende Präsenz von Ekkehart war noch etwas, das ihr den Aufenthalt auf dem Burgberg verleidete – zusätzlich zu den Spionen des Bischofs, der zwischen dem Sitz des Markgrafen und dem des Burggrafen seinen eigenen Palas hatte, den argwöhnischen Blicken der intriganten Hofgesellschaft und der heiklen Mitteilung, die sie dem Markgrafen eröffnen musste.
Hedwig bestand am nächsten Morgen selbst darauf, weiterzureisen. Marthe versuchte eindringlich, ihr das auszureden, doch ihre Einwände stießen bei der noch sichtlich angegriffenen Markgräfin auf taube Ohren.
»Es ist nur noch ein halber Tagesritt bis Meißen. Pflegt mich dort gesund, damit ich zum Hoftag in Kayna reisen kann«, beharrte Hedwig. »Auf dem Burgberg reden wir über alles Weitere.«
Sie wollte unbedingt nach Kayna, weil die quälende Frage sie seit Wochen zerriss, ob ihr Geliebter Dietrich dort zum Gottesurteil antreten musste und wie es ausfallen würde. Sie fürchtete, im
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