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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Kettenhemden vom Rost zu befreien.
    Marthe warf einen skeptischen Blick aus der Fensterluke, dann legte sie entschlossen die Leinenstreifen beiseite, die sie gerade zu Verbandsmaterial faltete, und lief auf den Hof.
    »Nun ist es aber genug!«, schimpfte sie, die Hände in die Hüften gestemmt, während auch sie durchnässt wurde. »Schert euch ins Haus und zieht trockene Sachen an.«
    Und weil sie hoffte, dass wenigstens dieses Argument erhört wurde, fügte sie hinzu: »Sonst setzen die Schwerter noch Rost an.«
    Christian und Lukas schienen über den Waffenübungen wieder einmal die Zeit vergessen zu haben. Der stärker werdende Septemberregen hatte zwar alle Zuschauer bis auf die Pferdeburschen vertrieben, die – glücklich über das Ausbleiben des Stallmeisters, der sie zurück an die Arbeit gejagt hätte – zwischen den Torflügeln standen und mit aufgerissenen Augen das fulminante Übungsgefecht zwischen ihrem Burgherrn und dessen ranghohem Knappen verfolgten. Doch die Kämpfer ließen sich nicht davon beeindrucken.
    »Der Krieg wird bei Regen nicht abgesagt«, war ein bei den Jüngeren gern zitierter Ausspruch Christians.
    Jetzt sah er belustigt auf seine Frau, strich sich das nasse Haar zurück, wischte das Schwert trocken und steckte es gelassen in die Scheide.
    »Sie hat recht. Genug für heute!«, rief er Dietrich zu.
    Der Sohn des Markgrafen verneigte sich höflich vor seinen Lehrern und folgte erleichtert Marthe. Noch ein Hieb, und ich wäre umgekippt wie ein gefällter Baum, dachte er. Und sosehr ihn die Aussicht auf trockene Kleider und eine heiße Mahlzeit begeisterte – er befürchtete, nicht einmal mehr den Löffel halten zu können, ohne dass ihm die Hand zitterte. Nur wollte er sich um keinen Preis eine Blöße vor seinem Lehrmeister geben.
    Christian hingegen folgte bereitwillig, weil ihn der Anblick von Marthes Körper, der sich unter dem regennassen Kleid abzeichnete, auf ganz andere Gedanken brachte.
    Für heute hatten sie genug geübt. Ihm war nicht entgangen, dass Dietrich am Ende seiner Kräfte angelangt war. Schließlich hatte er nie eine Pause gehabt – im Gegensatz zu den beiden Rittern, die ihm mal abwechselnd, mal gemeinsam zusetzten. Aber er war zufrieden, dass sich Ottos Sohn so gut hielt.
    Er konnte das dem Siebzehnjährigen nicht ersparen, den er härter als jeden anderen seiner Knappen ausbildete. Christian rechnete fest damit, dass Otto seinen jüngeren Sohn auffordern würde, sich zu einem besonders gefährlichen Auftrag zu melden, um seine angeblich verlorengegangene Ehre wiederherzustellen.
    Wenig später saßen sie beieinander in Christians und Marthes Kammer – noch mit tropfnassen Haaren, aber in frischen Kleidern und mit einem Becher Bier, den Marthe ihnen eingeschenkt hatte, während unten in der Halle für das Essen die Tischplatten auf die Schragen gehievt wurden.
    »Wird sicher urgemütlich, noch um diese Jahreszeit zum Feldzug aufzubrechen«, knurrte Lukas. »Vielleicht hätte uns Marthe doch nicht ins Haus rufen sollen. Dann könnten wir uns schon mal daran gewöhnen, im Schlamm herumzukriechen.«
    Niemand lachte über den bitteren Scherz.
    Jeden Tag konnte der Befehl eintreffen, dass sich Christian und seine Männer in Waffen auf dem Burgberg einzufinden hatten. Und das Warten in Ungewissheit war etwas, das niemand in dieser Runde gut ertrug.
     
    Lärm von draußen ließ sie aufmerken. Marthe stand auf und lugte aus dem Fenster, um zu sehen, was auf dem Burghof vor sich ging. Sie erkannte ein vertrautes Gesicht mit einem braunen Lockenschopf. »Es ist Raimund!«
    Christian und Lukas sprangen sofort auf. Raimund hatte den Markgrafen zum Hoftag begleitet und würde wichtige Nachrichten bringen.
    Als Christian die Tür aufriss, stand vor ihm Marie und wich erschrocken zurück.
    »Das Mahl ist bereit, soll ich sagen«, brachte sie heraus.
    Doch die Männer beachteten sie diesmal kaum, sondern stürmten an ihr vorbei. Bis auf Dietrich, der sie anstarrte, woraufhin sie errötete und den Kopf senkte, während er für einen Augenblick seine edle Abstammung verwünschte.
    Warum konnte er nicht wie jeder einfache Bauer die Frau nehmen, die ihm gefiel? Dass die Bauern auch genau rechnen mussten, mit wem sie sich zusammentaten und was die künftige Frau mit in die Ehe brachte, davon wollte er in seinem Gram nichts wissen.
    Christian hatte ihn schon bald nach ihrer Ankunft beiseitegenommen und ihm unmissverständlich klargemacht, dass sein Mündel für ihn als

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