Die Entscheidung der Hebamme
Furcht vor ihm, so schwer es auch fällt, oder verbergt sie wenigstens. Seht ihn nicht ängstlich an, das ist ihm zuwider und bringt ihn gegen Euch auf. Zeigt ihm, dass Ihr gelernt habt, das Gesinde anzuleiten. So wird er sich daran gewöhnen, in Euch die Herrin an seiner Seite zu sehen und nicht ein verzweifeltes, verängstigtes Kind, das nur seinen Zorn weckt.«
Gedankenversunken spielte Cäcilia mit einem ihrer Zöpfe und überdachte diesen Rat, der ganz anders aussah als erwartet.
Auf einmal hörten sie, dass sich Schritte von draußen näherten. Hastig sprang Cäcilia auf. »Ihr werdet ihm doch nicht verraten, dass ich hier war? Dann schlägt er mich tot!«
»Auf keinen Fall«, versuchte Marthe sie zu beruhigen.
Doch schon an der Tür, ließ ihre junge Besucherin den Kopf sinken. »Vielleicht wäre es sogar besser, er würde es tun«, flüsterte sie verzweifelt.
»Dame Marthe, der Hauptmann der Leibwache wünscht Euch zu sprechen!«, rief eine helle Stimme von draußen.
Cäcilia fuhr zusammen und verlor das letzte bisschen Farbe im Gesicht.
Entschlossen schob Marthe sie hinter die Tür. »Wartet einen günstigen Moment ab und geht«, flüsterte sie. »Ich werde nichts verraten.«
Dann öffnete sie die Tür und trat hinaus. Ein Junge in Thomas’ Alter erwartete sie.
»Mein Herr Ekkehart bittet Euch zu sich, um mit Euch die Einzelheiten für Eure Abreise zu bereden«, erklärte er nach einer höflichen Verbeugung.
»Richte ihm meinen Dank aus. Ich bin sicher, er wird alles Nötige veranlasst haben«, antwortete sie und wollte zurück in ihre Kammer gehen.
Gerade diese Begegnung würde sie liebend gern vermeiden, jetzt noch mehr als zuvor. Doch der Junge rannte ihr nach und stellte sich ihr in den Weg.
»Verzeiht, edle Dame, aber er hat mir befohlen, nicht ohne Euch zu kommen«, bat er, und seine flehende Stimme verriet, dass er eine harte Strafe zu fürchten hatte, sollte er den Befehl nicht befolgen.
Marthe atmete tief durch. Es wäre auch dumm gewesen, zu glauben, dass sie sich ewig verstecken konnte.
»Also gut, führ mich zu ihm.«
Erleichtert ging der Junge voran.
Der Page brachte sie in einen großen, wenngleich nüchtern eingerichteten Raum. Als sie eintrat, erhob sich der hochgewachsene Ritter mit dem kantigen Gesicht und ging ihr entgegen.
»Ich bin erfreut, dass Ihr doch noch den Weg zu mir gefunden habt«, sagte er. Aber in seinen Zügen war nicht einmal der Anflug eines Lächelns zu sehen.
Ekkehart befahl dem Pagen und den beiden Männern, die bei ihm waren: »Lasst uns allein!«
»Ihr gefährdet meinen Ruf und auch Euren!«, protestierte Marthe und hatte alle Mühe, sich nichts von ihrer Beklommenheit anmerken zu lassen. »Erlaubt mir, zu gehen, oder holt Zeugen dafür, dass hier nichts Ehrenrühriges geschieht!«
Der Ritter stellte sich vor ihr auf und stieß ein kurzes, unfrohes Lachen aus. »Keine Sorge, das sind meine Leute, die gehorchen aufs Wort. Niemand von denen wird deinen Ruf in Gefahr bringen. Und übrigens würde auch keiner von ihnen deinen Ruf wiederherstellen können.«
Er beugte sich vor und wollte nach ihr greifen, doch Marthe war schon zurückgewichen.
»Was zierst du dich so? Immerhin lagen wir schon im Brautbett miteinander!«, rief er zynisch, doch Marthe erkannte die Verbitterung dahinter.
»Ich hoffte, Ihr hättet diese alte Geschichte endlich vergessen«, sagte sie leise, aber bestimmt. »Noch dazu, wo Ihr selbst wieder geheiratet habt.«
Der Kommandant der Wache verzog nur das Gesicht. »Meine Frau ist noch ein Kind und kann dir nicht das Wasser reichen.«
Dann nahm seine Stimme einen unerwartet werbenden Ton an. Auch wenn ihn wohl niemand sonst bei ihm vermutet hätte, sie kannte ihn noch aus der Zeit, als er sie bei sich verborgen hielt.
»So lange habe ich darauf gewartet, dass du einmal allein auf dem Burgberg bist. Lass uns die Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen … Das bist du mir schuldig nach all den Jahren.«
Er streckte die Hand nach ihr aus, ohne sie zu berühren.
Marthe wich noch einen Schritt zurück. »Ihr sagtet, Ihr wollt, dass ich mich Euch freiwillig hingebe.«
»Und ich stehe zu meinem Wort, als Mann von Ehre.«
»Dann findet Euch damit ab, dass das nie geschehen wird.«
Ekkehart ging wütend zu dem Tisch, auf dem mehrere Papiere und Karten durcheinanderlagen, in denen er nun herumwühlte.
»Das würde ich mir an deiner Stelle noch einmal überlegen!«, sagte er in einem Ton, der seine Worte zur unverhüllten
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