Die Entscheidung der Hebamme
Drohung machte.
Marthe, die bereits im Begriff war, zu gehen, wandte sich jäh um. Ihre Nackenhärchen richteten sich auf.
»Was meint Ihr damit?«
»Ich entscheide, wer im bevorstehenden Feldzug wo eingesetzt wird. Und wenn du nicht willst, dass ich deinen geliebten Mann so lange auf Todesmissionen schicke, bis er trotz seines bewundernswerten Rufes endlich draufgeht, solltest du dich etwas entgegenkommender zeigen.«
Seine Stimme schien nun aus Eis.
»Ihr habt wenig Vertrauen in das Kampfgeschick meines Gemahls«, sagte Marthe, so gelassen sie konnte.
Sie hätte es trotz ihres Widerwillens auf sich genommen, seine Forderung zu erfüllen, wenn sie damit wirklich Christians Leben retten könnte. Aber daran glaubte sie nicht einen Augenblick.
»Ich kenne nur die Gefahren des Krieges genau«, drohte Ekkehart, ohne sie aus den Augen zu lassen. »Und glaub lieber nicht, dass Otto wegen seines Sohnes, den Christian mit sich führt, irgendwelche Rücksichten nehmen würde. Im Gegenteil.«
Ohne ein weiteres Wort drehte sich Marthe um und ging zur Tür.
Als sie den Ausgang erreichte, rief ihr Ekkehart nach: »Ich warte! Du kannst es dir jederzeit überlegen! Du weißt, wo du mich findest.«
Kriegsnachrichten
Es kostete Marthe viel Kraft, Christian nach ihrer Rückkehr ins Dorf nichts von Ekkeharts beschämendem Ansinnen und seiner Drohung zu erzählen. Ihren Mann brauchte sie nicht zu ermahnen, dass er sich im Krieg in Acht nehmen musste. Und auch nicht, dass er Ekkehart nicht trauen konnte. Aber wenn er aus Zorn über dessen schändliche Erpressung den Hauptmann der Wache zum Zweikampf forderte, würde Otto ihn nur im günstigsten Fall in den Kerker werfen. Der Markgraf duldete nicht, dass sich seine Ritter gegenseitig umbrachten – und schon gar nicht vor einem Feldzug, wo jeder Kämpfer zählte. Doch wer den Hauptmann seiner Leibwache angriff, der würde wahrscheinlich mit dem Tod bestraft.
Dafür überraschte Christian sie mit seiner Reaktion, als sie ihm von Thomas’ Prügelei mit Randolfs Sohn erzählte.
»Ich weiß«, sagte er zu Marthes Verblüffung. »Dieser Rutger ist für sein Alter ziemlich hinterhältig und macht Thomas das Leben schwer, wo er nur kann.«
»Und davon hast du mir nichts erzählt?!«, entrüstete sich Marthe. »Woher weißt du das überhaupt, wenn du seit Wochen nicht auf dem Burgberg warst?«
»Durch Raimund. Sein Ältester und noch ein paar Freunde stehen Thomas bei, eine richtig verschworene Gemeinschaft.« Christian lächelte wehmütig, als er an die Freundschaften dachte, die er während seiner Knappenzeit an Ottos Hof geschlossen hatte. Sie waren zu viert und unzertrennlich gewesen: Raimund, die Brüder Gero und Richard und er. Doch die beiden Brüder starben vor ein paar Jahren bei dem Überfall auf eine für den Kaiser bestimmte Ladung Silber, die sie zu eskortieren hatten.
»Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst.«
Christians letzte Worte brachten Marthe zum Verstummen. Hatte nicht auch sie ihre Geheimnisse vor Christian, die sie bewahrte, um ihn zu schützen?
Hatte sie ihm nicht auch gerade etwas verschwiegen?
Dabei kannte Christian nur die halbe Wahrheit darüber, was zwischen ihr und Ekkehart geschehen war.
Er durfte nie erfahren, dass nicht nur Randolf, den er dafür getötet hatte, sondern auch Ekkehart und seine Kumpane Giselbert und Elmar einst über sie hergefallen waren.
Die Wochen vergingen, während sie auf Nachricht vom Hoftag in Kayna warteten. Diese Möglichkeit, dass Dietrich von Landsberg dort vielleicht zum Gottesurteil gegen Heinrich den Löwen antrat, beschäftigte die Phantasie aller auf der Christiansdorfer Burg, die von der Herausforderung wussten.
Ansonsten zeigten sich weder Christian noch sein Knappe Dietrich übermäßig bekümmert, dass sie nach Ottos Order nicht zum Hoftag reisen sollten. Dietrich wusste, dass ihm sein Vater nur täglich neue Vorhaltungen machen und Albrecht für die nächste Begegnung sicher eine noch größere Gemeinheit geplant haben würde. Christian aber wollte die Zeit so gut wie möglich für die Vorbereitung auf den Feldzug nutzen, den mittlerweile fast alle für unausweichlich hielten, die wussten, was auf dem Spiel stand.
Gerade wieder hieben er, Lukas und Dietrich abwechselnd mit den Schwertern aufeinander ein. Dabei ging der schon seit dem Mittag währende Nieselregen allmählich in einen kräftigen Guss über. Die beiden jüngeren Knappen, Georg und David, waren längst fortgeschickt worden, um
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