Die Entscheidung der Hebamme
Lehrmeister. Er wies seine Männer an, jene Stellen besonders aufmerksam zu prüfen und frei zu räumen, an denen der Schnee schmolz, sobald er den Boden berührte.
Wie von einer unsichtbaren Macht gezwungen, mussten die Belagerer immer wieder auf das Moor starren, wo Rauch und Feuersäulen aus dem Boden traten.
Sie hatten noch nicht einmal Zeit für das Frühmahl gefunden, als auch einer der Türme in den Reihen der Magdeburger in Flammen aufging. Entsetzte Rufe und durcheinanderrennende Leute sorgten dort sofort für hektische Geschäftigkeit. Aber Wichmanns Männer konnten den Turm nicht retten. Mit dichtem weißem Qualm brannte das regennasse Holz.
Christian kontrollierte währenddessen sämtliche Stellen, an denen sie Holz und Vorräte lagerten. Seine Männer hatten gute Arbeit geleistet. Gefüllte Ledereimer und Wasserfässer standen bereit, doch vorerst deutete nichts darauf hin, dass sich hier bald die Glut durch den Boden fressen würde. Die verbliebenen Pferde auf den Koppeln waren unruhig, ließen sich aber von Radomir, seinem Rappen, gehorsam zusammentreiben und blieben in der Nähe des Leithengstes, der Christian schnaubend begrüßte.
Bevor er weitergehen konnte, fing ihn Lukas’ Bruder ab, der auf dem Feldzug Botendienste für Otto übernommen hatte.
»Ihr sollt sofort zum Markgrafen kommen. Sein Sohn ebenfalls«, übermittelte Jakob nach einer Verbeugung, die seine Verlegenheit überspielen sollte.
Lukas und Dietrich warteten vor ihrem Zelt auf Christian.
»Ich nehme an, angesichts der Dringlichkeit können wir darauf verzichten, uns angemessen zurechtzumachen«, meinte dieser nach einem kurzen Blick auf ihre Kleider, die ebenso wie seine von Schlamm und Ruß verschmutzt waren.
»Wieso? Ich finde, für diese hoffnungslose Belagerung seid ihr absolut angemessen gekleidet«, lästerte Lukas. »Jeder Klumpen Dreck steht für einen wunderschönen Tag mit Blick auf Haldensleben.«
Christian ersparte sich eine Entgegnung und verzog nur den Mundwinkel.
»Vielleicht gewinne ich meine Wette von gestern schon heute«, meinte Lukas dann.
Dietrich sah abwechselnd von einem zum anderen und hoffte zu erfahren, was das wohl für eine Wette gewesen sein mochte. Oder dass einer der beiden Ritter eine Vermutung äußern würde, weshalb er mit Christian zu seinem Vater gerufen wurde. Auch wenn es mit Sicherheit um die Situation vor Haldensleben ging, so fürchtete ein Teil von ihm stets, sein Vater könnte ihn doch noch ins Kloster schicken.
Lukas verließ sie, um sich nun um die Türme und die Pferdekoppeln zu kümmern, während Christian mit Jakob und Dietrich ohne ein weiteres Wort zu Ottos Zelt ging.
Dort erwartete sie zusammen mit dem Markgrafen und Ekkehart einer der militärischen Berater von Erzbischof Wichmann, ein Ritter im mittleren Alter, den Christian bei den Zusammenkünften als erfahren und besonnen erlebt hatte.
Sollte Lukas recht behalten? Würde der Magdeburger mit ihnen über den Abbruch der Belagerung sprechen?
Otto erwiderte nur mit einem knappen Nicken die Begrüßung Christians und seines Sohnes, dann überließ er sogleich das Wort Gerolf, dem Magdeburger. Christian erkannte, dass hier bereits eine Entscheidung getroffen war, die ihn und Dietrich betraf, nicht aber den Rückzug aus Haldensleben.
Die nächsten Worte Gerolfs sollten ihm recht geben.
»Erzbischof Philipps Heer ist nur noch fünfzig Meilen von hier entfernt«, begann der Magdeburger. »Der ehrwürdige Wichmann bittet den Markgrafen von Meißen, Philipp zur Begrüßung eine Eskorte seiner besten Männer entgegenzuschicken.«
Nun richtete Gerolf seinen Blick direkt auf Christian, und sein Verhalten ließ erkennen, dass er in ihm einen Gleichgesinnten sah, jemanden, der ein klares Wort mehr schätzte als höfliche Floskeln.
»Philipp von Köln hat – ohne es eingestehen zu wollen – die Herrschaft über seine Truppen verloren, falls er sie überhaupt jemals hatte. Die Brabanzonen plündern und sengen in jedem Dorf, durch das sie ziehen, ganz gleich, ob es dem Gegner oder den Verbündeten gehört. Nicht einmal die Drohung, exkommuniziert zu werden, hält sie noch im Zaum. Seine paar Ritter im Heer haben längst jeden Versuch aufgegeben, die Rotte zur Ordnung rufen zu wollen.«
»Und wir sollen das jetzt versuchen, damit nicht noch mehr Dörfer Wichmanns zerstört werden«, fasste Christian lakonisch zusammen, worauf Gerolfs Worte hinausliefen.
»So ist es.« Mehr sagte der Magdeburger nicht. Nach einer Pause
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