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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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befürchtet hatten.
    Die Männer waren zusammengelaufen und starrten ängstlich auf das Moor zwischen dem Lager und der Burg, aus dem in der Dunkelheit da und dort feurige Fackeln emporzuwachsen schienen, an anderen Stellen Rauchwolken quollen.
    »Sind das Moorgeister? Oder Irrlichter?«, fragte jemand furchtsam und bekreuzigte sich.
    »Nein«, entgegnete Christian mit düsterer Miene. Nun war eingetreten, was er schon seit Tagen befürchtet hatte.
    »Die Bastarde haben uns das Torfmoor unter den Füßen angezündet.«
     
    In dieser Nacht war für die Belagerer an Schlaf nicht zu denken. Niemand wusste, wie lange der Torf schon unter der Erdoberfläche brannte, ohne dass sie es bemerkt hatten. Doch nun schien sich das Feuer immer schneller auszubreiten. Da und dort traten Rauchwolken aus dem Boden, an denen sie verfolgen konnten, wie sich ihnen die unzähligen Brandherde näherten. Gelegentlich fuhren gewaltige Stichflammen empor – überall dort, wo sich durch das Feuer unterirdische Hohlräume gebildet hatten und die dünne Grasdecke darüber zusammenbrach.
    »Wenigstens bekommen wir so bald warme Füße«, meinte Kuno sarkastisch.
    Er hatte die Worte kaum ausgesprochen, als von rechts ein vielstimmiges markdurchdringendes Wiehern ertönte. Die Koppel war verschwunden. Das Feuer hatte darunter einen Hohlraum gefressen, bis der Boden einbrach.
    Christian schickte Männer los, die retten sollten, was noch zu retten war. An der Unglücksstelle erwartete sie ein grauenvolles Bild. Wohl ein Dutzend Pferde waren in das Erdloch gestürzt. Wild um sich schlagend und vor Angst und Schmerz durchdringend wiehernd, versuchten sie vergeblich, wieder aufzukommen.
    Bertram ließ sich an einem Seil hinab, das von zwei Männern gehalten wurde, und versuchte, einem Schecken aufzuhelfen. Das Tier rollte panisch die Augen und schlug wild aus. Bertram schaffte es, dem verängstigten Pferd eine Decke über den Kopf zu werfen, damit seine Augen bedeckt waren. Dann legte er ihm ein Seil um den Hals und zog ihn zur Seite, fort von den verletzten Tieren, die immer noch tobten und angstvoll wieherten. Gemeinsam mit ein paar anderen Männern gelang es ihm, den Schecken dazu zu bringen, sich halb aus der Grube ziehen zu lassen, halb herauszuklettern.
    »Gut gemacht«, lobte Christian, der sich eine Fackel hatte geben lassen, um in die Grube zu leuchten. Was er sah, bestätigte seine schlimmsten Vermutungen. Der Hengst, den Bertram hatte retten können, war wahrscheinlich das einzige Tier, das den Einsturz mehr oder weniger unverletzt überstanden hatte. Die anderen hatten sich beim Sturz Vorder- oder Hinterhand gebrochen.
    Er schwenkte die Fackel über die grauenvolle Szene und verständigte sich kurz mit dem Stallmeister. Dieser würde ein paar Männer hinunterschicken, damit sie den schwer verletzten Pferden den Gnadenstoß gaben.
    Christian wandte sich ab, um das Gemetzel nicht mit ansehen zu müssen. Die Männer würden wohl noch in dieser Nacht Pferdefleisch essen; auch dabei wollte er lieber nicht zusehen.
    Doch er kam nicht dazu, zurück ins Zelt zu gehen.
    Plötzlich erhellte gleißendes Licht die Nacht. Mit lautem Prasseln, fauchend und qualmend ging ein halbfertiger Belagerungsturm im Lager der Thüringer in Flammen auf. Eine Stichflamme, die aus der Tiefe geschossen kam, hatte das Holz in Brand gesteckt, das wahrscheinlich schon vorher dort zu glimmen begonnen hatte, wo es das Erdreich berührte.
    Mit weit aufgerissenen Augen starrten die Männer auf das schaurige Schauspiel. Einige schlugen ein Kreuz und blickten unsicher auf Christian.
    »Was können wir tun?«, fragte Dietrich leise, der neben Christian getreten war und nur mit Mühe sein Schaudern verbarg.
    »Nichts«, entgegnete der. »Warten und beten, dass uns der Boden nicht unter den Füßen wegbrennt.«
    Dann erteilte er Befehle an seine Männer. »Vergrößert die Koppeln und überprüft, wo der Boden warm oder zumindest trocken wird! Stellt ausreichend Wassereimer um das Belagerungsgerät und die Karren mit der Ausrüstung!«
    Den Belagerern blieb nun anscheinend nichts weiter, als sich vorzustellen, wie sich die Glut zu ihnen durchfraß.
     
    Als die Nacht der Morgendämmerung wich, begann es zu allem Übel auch noch, dicke Flocken zu schneien – viel zu früh für die Jahreszeit.
    »Gut«, konstatierte Christian zufrieden. Dietrich sah ihn fragend an. War das ein makabrer Scherz?
    »Der Schnee hilft uns, die unterirdischen Brandherde aufzuspüren«, erklärte sein

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