Die Entscheidung der Hebamme
fügte er an: »Ich werde mit Euch reiten.«
Wieder tauschten die beiden kampferfahrenen Männer einen Blick, der sie zu Gleichgesinnten machte. Denn jeder von ihnen wusste auch ohne weitere Worte, dass dies ein Auftrag war, um den sich niemand reißen würde. Es war, als würde man sie losschicken, eine tödliche, reißende Flut mit bloßen Händen aufzuhalten.
Falls Otto ihr Unbehagen spürte, ließ er sich davon nicht beirren.
»Christian, sucht Euch von meinen Rittern aus, wen Ihr wollt, um Philipp entgegenzureiten. Ich denke, die Eskorte sollte nicht größer als fünf Mann sein, um keine Missverständnisse hervorzurufen. Und ich möchte, dass Ihr meinen Sohn mitnehmt.«
Ohne auch nur zu Dietrich zu schauen, trat Christian einen Schritt auf den Markgrafen zu. »Ich bitte Euch inständig, Euren Sohn hierzulassen und nicht dieser Gefahr auszusetzen.«
Er hörte hinter sich Dietrich entrüstet Luft holen, doch mit einem scharfen Blick brachte er ihn zum Schweigen, noch bevor der Junge ein Wort sprechen konnte.
Mürrisch musterte Otto seinen Ritter. »Ich dachte mir schon, dass Ihr das sagen würdet, Christian. Aber wolltet Ihr aus meinem Sohn nicht einen beherrschten, tapferen Ritter machen?« Nun triefte seine Stimme vor Hohn. »Dies scheint mir die beste Gelegenheit, damit er zeigen kann, was er bei Euch gelernt hat.«
Christian wusste, er sollte jetzt besser schweigen oder wenigstens niederknien, wenn er schon dem Markgrafen erneut widersprach, doch dafür war er viel zu aufgebracht angesichts der Bereitwilligkeit, mit der Otto seinen jüngsten Sohn in eine lebensgefährliche Situation brachte.
»Mein Fürst, Ihr könnt ihn jederzeit mit Schwert und Lanze prüfen lassen. Ich bin sicher, Dietrich wird bereitwillig vorführen, was er kann«, entgegnete er brüsk. »Doch es besteht keine Notwendigkeit, das Leben Eures Sohnes einer solchen Bedrohung auszusetzen!«
Gereizt zog Otto die Brauen zusammen und beugte sich vor.
»Ihr werdet meine Befehle nicht in Frage stellen, Lehnsmann!«, fauchte er. »Entweder Ihr macht einen Mann aus diesem Versager« – verächtlich wies er mit dem Kinn auf Dietrich –, »oder er ist und bleibt eine Memme. Dann wäre er doch im Kloster besser aufgehoben. Das ist mein letztes Wort. Und nun reitet los!«
Ohne ein weiteres Wort machte Christian kehrt und verließ das Zelt. Dietrich und der Magdeburger folgten ihm.
Draußen angelangt, befahl Christian Dietrich mit einer Handbewegung, zu schweigen, und verabredete mit Gerolf, wann sie aufbrechen würden.
Erst als sie außer Hörweite von Ottos Zelt waren, drehte er sich zu seinem Knappen um. »Jetzt darfst du reden.«
Er rechnete es dem Jüngeren hoch an, dass der trotz seiner Entrüstung erst tief durchatmete, bevor er ausstieß: »Habt Ihr denn gar kein Vertrauen in mich?«
»Deinem Vetter Konrad schien auch keine Herausforderung zu groß. Das brachte ihm den Tod«, wies Christian seinen Schützling zurecht. »Und glaube mir, nichts, was du bei mir oder am Hof des Kaisers erlebt hast, kann dich auf das vorbereiten, was uns in Philipps Lager erwartet.«
Das stimmte vielleicht nicht ganz: Auf den Italienfeldzügen hatten auch Friedrichs Truppen gnadenlos in den Städten des Lombardischen Bundes gewütet. Doch damals war Dietrich als Page oder Knappe vermutlich weitab der Greueltaten gewesen.
Christian drehte sich um, packte den jungen Mann bei den Schultern und zwang ihn, ihm in die Augen zu blicken.
»Wir werden morgen viertausend Rottenknechten gegenüberstehen, denen die Regeln des ritterlichen Lebens völlig egal sind, die nichts anderes wollen als plündern, sengen und schänden. Ich brauche dein Wort, dass du nichts tust, das dich oder einen von uns in Gefahr bringt! Sonst kehre ich auf der Stelle um und bitte deinen Vater selbst, dich ins Kloster zu schicken. Dort bist du wenigstens in Sicherheit.«
»Ihr habt mein Wort, Herr«, erklärte Dietrich und schluckte.
Nun war er doch blass geworden – und das nicht erst bei Christians letzten Worten.
Der hingegen erwog ernsthaft, umzukehren und Otto eine geistliche Laufbahn für seinen jüngeren Sohn nahezulegen. Denn er hatte den furchtbaren Verdacht, dass der Markgraf diese merkwürdige und genau genommen überflüssige Gesandtschaft – was sollten vier Ritter und ein Knappe gegen viertausend ausrichten? – nur ausschickte, um einen Vorwand zu haben, mit seinen Truppen abzuziehen. Ein Übergriff auf den Sohn des Markgrafen würde unbestritten als
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