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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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einem Pfosten und band seine Handgelenke darum.
    Niemand sprach ein Wort.
    Albrecht ließ die Gerte ein paar Mal pfeifend durch die Luft sausen, dann verpasste er dem Jungen den ersten Hieb, der die Haut aufplatzen und das Blut spritzen ließ.
    Der Junge stieß zwischen zusammengebissenen Zähnen ein Stöhnen aus, das er nicht unterdrücken konnte, wenn er schon nicht schrie. Die unfreiwilligen Zuschauer zogen scharf Luft ein oder wandten die Blicke ab.
    »Stur und unverbesserlich«, kommentierte Albrecht. »Seht genau her! Euch Gesindel werde ich Gehorsam lehren!«
    Mit Wucht schlug er auf den Jungen ein, bis der schließlich mit blutig geschlagenem Rücken in die Knie sackte.
    Zufrieden sah Albrecht in die Runde, dann befahl er, seinen und Elmars Hengst zu satteln und zu ihnen zu bringen.
    Bevor er aufsaß, bemerkte er ein paar Blutspritzer auf seinem Obergewand. »Wie lästig«, kommentierte er und strich über die kleinen roten Flecken. »Ich will hoffen, die Waschmägde hier sind tüchtiger als die Stallburschen.«
    Dann schwang er sich in den Sattel.
    »Der Kerl da bleibt so lange dort, bis ich erlaube, ihn loszubinden!«, befahl er, bevor er gemeinsam mit Elmar vom Burghof preschte.
     
    »Das tat gut!«, schwärmte Albrecht, als sie das Dorf verlassen hatten und nebeneinander über das Land ritten. »Morgen nehme ich mir den Nächsten vor. Oder vielleicht gleich heute noch, wenn wir zurück sind.«
    »Wisst Ihr eigentlich, wen Ihr da verprügelt habt?«
    »Wen kümmert’s? Irgendein Knecht, ein Stallbursche.«
    »Es war nicht nur irgendeiner. Ihr habt – mit sicherem Gespür dafür, wie Ihr am eindrücklichsten Lektionen erteilt – eine hervorragende Wahl getroffen«, schmeichelte Elmar, als hätte nicht er das Opfer ausgewählt.
    Albrecht zügelte seinen Hengst und sah interessiert zu seinem Ritter.
    »Er heißt Christian«, erklärte dieser.
    »Mit dem Namen kann er es unter meiner Herrschaft zu nichts bringen«, meinte Albrecht und lachte selbstgefällig.
    »Ihr sagt es. Seinen Vater hat der frühere Burgvogt als Dieb hängen lassen. Doch was noch wichtiger ist: Er ist das erste hier geborene Kind, und Christians Anhänger sehen in ihm so etwas wie ein Symbol für das Gedeihen des Dorfes.«
    Beinahe ungläubig starrte Albrecht den älteren Ritter an. Dann begann er, lauthals zu lachen. »Wie treffend! Da bekommt das Pack gleich einmal einen Vorgeschmack,
wie
ihr Dorf gedeihen wird, wenn sie nicht so springen, wie ich es will!«
    Er trat seinem Pferd die Sporen in die Seiten, und sie lenkten die Hengste einen Hügel hinauf.
     
    Marthe hatte noch einmal nach Johanna gesehen, die nun doch endlich eingeschlafen war, als ihr Clara entgegengerannt kam, dicht gefolgt von Hilbert, dem Kaplan.
    »Schnell, schnell, zu den Ställen«, rief sie ihrer Mutter zu, die angesichts der entsetzten Miene der Siebenjährigen von schlimmsten Ahnungen überfallen wurde.
    Mit gerafften Röcken lief sie dem Mädchen hinterher, geradewegs auf eine Menschentraube zu, die sich vor den Ställen gebildet hatte.
    »Beiseite!«, rief sie voller Angst, denn sie hatte schon eine Vorstellung davon, was sie nun zu sehen bekommen würde. Sie wusste nur noch nicht, wen es getroffen hatte.
    Nacheinander machten ihr die jungen Burschen Platz. Sie sah die Ursache des Auflaufs und biss sich, mühsam beherrscht, auf die Lippen.
    »Ich hab nichts getan, ich schwör’s«, brachte Christian qualvoll hervor. Sein Gesicht war schneeweiß und immer noch vor Schmerz verzerrt, er zitterte inzwischen dermaßen vor Kälte, dass seine Zähne klapperten.
    »Gib mir ein Messer!«, rief Marthe dem Erstbesten zu, der neben ihr stand.
    »Der neue Burgvogt hat verboten, ihn loszubinden«, murmelte einer von ihnen mit gesenktem Kopf.
    »Das handle ich mit ihm selbst aus, wenn er zurückkommt«, entgegnete sie ungeduldig und streckte die Hand nach dem Messer aus. Sie konnten den jungen Christian, den sie einst selbst auf die Welt geholt hatte, nicht länger qualvoll in den Stricken hängen lassen. Und wer weiß, was Albrecht noch mit ihm vorhatte, wenn er erst zurückkam.
    »Helft mir, ihn vorsichtig auf den Boden zu legen.«
    Sie schickte einen der Stallburschen, Wasser, saubere Tücher und ihren Arzneikorb zu holen. »Ihr anderen geht wieder an die Arbeit. Alle, bis auf Peter«, ordnete sie dann an.
    Mit Peters Hilfe flößte sie dem gequälten Jungen etwas zu trinken ein, legte ihm zunächst feuchte Tücher auf den Rücken, wusch vorsichtig das Blut ab und

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