Die Entscheidung der Hebamme
erspart blieb.
Hedwig, die zwischen Dietrich und ihrem Gemahl saß, unterdrückte jeden Gedanken an eine heimliche Begegnung mit ihrem Geliebten. Diesmal brauchte Dietrich sie nicht als zärtliche Geliebte, sondern als fürsorgliche Freundin, als jemanden, der ihm half, den nächsten Tag zu überstehen, ohne dass ihn die schmerzlichen Erinnerungen an Konrads Tod übermannten.
Dabei bezwang sie selbst nur mit Mühe die Tränen, als die schrecklichen Bilder wieder in ihrer Erinnerung aufstiegen. Zu alldem vermischte sich in ihren düstersten Phantasien das Antlitz Konrads mit dem ihres Sohnes. Die beiden Cousins hatten sich so ähnlich gesehen! Der einzige Unterschied war, dass Konrads Haar schwarz wie das seines Vaters war, Dietrichs hingegen braun.
Würde Otto ihrer Mahnung gedenken, seinen Sohn nicht grundlos der Gefahr auszuliefern? Würde ihr Sohn lebend und unversehrt aus dem Krieg zurückkehren?
Hedwigs Herz wurde schwer und schwerer. Nur mühsam beherrschte sie ihre Gesichtszüge. Dann legte sie, ungeachtet der Etikette, ihrem Geliebten tröstend die Hand auf den Arm und lächelte ihm wehmütig zu. Niemand konnte daran etwas Anstößiges finden. Es war nicht mehr und nicht weniger als ein warmherziger Trost für einen trauernden Schwager. Dietrich verstand und sah sie dankbar an, bevor er wieder auf einen Punkt in unbestimmter Ferne starrte.
»Meinen Glückwunsch! Gott und der heilige Georg mögen dich schützen!«
Verwegen hieb Christian seinem einstigen Schützling auf die Schulter, der sich von nun an Ritter nennen durfte. Ottos jüngerer Sohn nahm die von Herzen kommende Gratulation mit frohem Lachen entgegen. Er wirkte erleichtert, die feierliche Zeremonie überstanden zu haben.
Der Abt persönlich hatte seine Waffen gesegnet. Danach hatten ihm Christian und sein Onkel Dietrich feierlich Waffen und Ausrüstung angelegt und ihn mit den seit Generationen überlieferten Worten ermahnt, seine Pflichten gegenüber Gott, seinem Lehnsherrn und den Armen und Schwachen zu erfüllen.
Der Markgraf der Ostmark hatte seinem Neffen aus Anlass der Schwertleite ein prachtvolles Obergewand in den Meißner Farben – Schwarz und Gelb – geschenkt. Dazu trug Dietrich Gambeson, Kettenhaube und -panzer, die ihm sein Onkel, der neuernannte Herzog von Sachsen, für die Verteidigung Goslars überlassen hatte. Von seinem Vater bekam Dietrich ein Schwert von den für ihre Arbeit weithin geschätzten Kölner Waffenschmieden und einen passenden Dolch, deren solide und zugleich prachtvolle Ausführung allgemeine Bewunderung hervorrief.
Dass Dietrichs Schwertleite nicht wie Konrads mit einem Turnier gefeiert wurde, verwunderte niemanden. Otto und seine Brüder hatten nach Konrads Tod einen heiligen Eid leisten müssen, nie wieder Turniere auszurichten oder persönlich an einem Turnier teilzunehmen und auch ihre Gefolgsleute an einem solchem Vorhaben zu hindern. Nur unter dieser Bedingung hatte der Magdeburger Erzbischof nach monatelangem Hin und Her doch noch seine Zustimmung gegeben, dass Konrad ein christliches Begräbnis zuteilwurde.
Christian trat beiseite, damit Hedwig ihrem Sohn gratulieren konnte. Wortlos zog die Markgräfin ihren Sohn an sich und schloss ihn in die Arme.
»Mach dir keine Sorgen«, raunte Marthe Christian zu. »Er wird gesund zurückkehren.«
»Ich pass schon auf ihn auf«, sagte nun auch Lukas leise, der neben Christian getreten war und dessen sorgenvolle Miene sah. »Solange Otto mich lässt, werde ich keinen Schritt von Dietrichs Seite weichen.«
Christian sah den Freund erleichtert an. Dennoch beschloss er bei sich, gleich nach dem Mahl eine große Kerze zu stiften und in der Klosterkirche für die glückliche Heimkehr derer zu beten, die mit Otto in den Krieg gegen den Löwen zogen. Ganz besonders für Dietrich und Lukas.
September 1180 in Christiansdorf
Mit unerbittlicher Miene blickte Christian auf die junge Frau vor ihm. »Adela, solltet Ihr mit Euerm Gezeter Raina vertreiben oder schuld daran sein, wenn sie sich im Kindbett aufregt und am Fieber stirbt, dann werdet Ihr ihre Arbeit im Backhaus übernehmen!«
Christian hatte die Stimme erhoben und wirkte nun so furchteinflößend, dass Lukas’ Frau zusammenfuhr. So hatte sie den zwar strengen, aber ihr gegenüber ansonsten stets höflichen Burgherrn noch nicht erlebt.
»Und es kümmert mich nicht, ob es unter Euerm Stand ist, Teig zu kneten und Brot zu backen«, fuhr Christian fort und verlieh damit seiner Drohung Nachdruck.
Seit
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