Die Entscheidung der Hebamme
Lukas’ Aufbruch vor fast einem Vierteljahr hatte es zunehmend Ärger mit dessen Frau gegeben. Christians Geduld war erschöpft. Er hatte keine Nachricht vom Krieg, er wusste nicht, ob sein Freund noch lebte und ob es ihm gutging, und er wünschte ihn sich dringend herbei – weil Lukas ihm fehlte und damit er seine Frau zur Ordnung rief.
Er wollte Frieden auf der Burg, doch niemand hatte bisher einen Weg gefunden, die zänkische Adela zu besänftigen, nicht einmal die sonst in vielem so nachsichtige Marthe, die inzwischen selbst lieber einen Bogen um die verwöhnte, schnippische junge Frau machte. Dass Marthe Raina half, Lukas’ Sohn zu gebären, würde ihr wohl bei Adela auch nicht gerade Sympathie einbringen.
Gehorsam senkte Adela den Kopf, während es hinter ihrer Stirn arbeitete. Widersprechen durfte sie nicht. Doch wie sollte sie es länger ertragen, dass diese Hure von einer Brotmagd hier stolz ihren Bauch vor sich hertrug und die übelsten Gerüchte in die Welt setzte, während es bei ihr selbst kein einziges Anzeichen für eine Schwangerschaft gab!
Das würde der Burgherr doch nicht tun – jemanden von ihrem Stand als Magd schuften zu lassen? Wenn sie allerdings seinen zornigen Gesichtsausdruck sah, begann sie zu fürchten, dass er seine Drohung wahr machen könnte.
Christian schien ihre Gedanken zu lesen.
»Dieses Kind wurde lange vor Eurer Heirat gezeugt, und Euer Gemahl hat schon vor Monaten unmissverständlich klargemacht, dass er es als seines anerkennen wird. Also richtet Euch nach seinen Wünschen!«
Finster bedeutete er ihr, sich zu entfernen. Rasch lief Adela mit gesenktem Kopf hinaus.
Im Gehen überlegte sie, wohin sie nun sollte. Ihre eigene Kammerfrau würde sie auch nicht trösten können, alle anderen hier hielten fest zum Burgherrn, und Marthe, die sie anfangs noch für eine mögliche Verbündete gehalten hatte, war gerade dabei, dem Bastard ihres Mannes auf die Welt zu helfen. Welche Schande!
Pater Sebastian hatte schon recht, es herrschten wirklich gottlose Zustände in Christiansdorf.
Natürlich hatte es keine drei Tage gedauert, bis sie erfuhr, dass eine der Mägde behauptete, das Balg unter ihrem Herzen sei von Lukas, ihrem Mann. Zwar hatte das Gesinde auf dem Burghof das vor ihr geheim gehalten, doch als sie beim Dorfpfarrer vorsprach, um ihn zu fragen, ob sie auch für den Altar der Dorfkirche einige Stickereien ausführen sollte, hatte dessen Haushälterin sie sogleich über die Sittenlosigkeit ins Bild gesetzt.
Welche Schmach! Ihr eigener Mann! Tränen traten ihr in die Augen. Sollte das schamlose Weib doch verrecken, und das Balg am besten gleich mit ihr!
Jetzt musste sie auch noch beichten, sich aus Eifersucht zu einer solchen Verwünschung hingerissen haben zu lassen. Aber wenn sie aufrichtig Reue zeigte, wies Gott ihr vielleicht einen Weg aus der Not.
Christian rieb sich die Stirn, als er wieder allein in der Halle war. Er fand inzwischen keinen Grund mehr für Nachsicht. Dass Adela ausgerechnet in Pater Sebastian einen Verbündeten sah, war das Schlimmste, was ihnen passieren konnte. Wer weiß, was sie dem Eiferer alles zutrug! Er musste mit Hilbert reden, damit dieser mehr Einfluss auf Lukas’ Frau nahm, solange der Freund noch im Krieg war.
Jemand betrat mit energischem Schritt die Halle. Gedankenversunken sah Christian auf. Richtig, der Bergmeister hatte ihn um ein Gespräch gebeten.
Höflich begrüßte Christian den graubärtigen Hermann und bat ihn hinauf in seine Kammer. Was sie zu bereden hatten, war nicht für jedermanns Ohren bestimmt.
Da Marthe bei Raina war, schenkte Christian dem Besucher als Zeichen seiner Wertschätzung persönlich einen Becher Wein ein. Der Bergmeister bedankte sich und richtete seine hellen Augen auf den Burgvogt, dessen Umsicht und Gerechtigkeitssinn er von ihrer ersten Begegnung an zu schätzen wusste.
»Habt Ihr die Gerüchte um die zornigen Berggeister aufklären können?«, erkundigte sich Christian.
Seit Tagen ging die Rede im Dorf, in den Gruben seien Berggeister durch das verstärkte Hämmern und Pochen aufgeweckt worden. Dies war eine ernsthafte Angelegenheit, der sofort nachgegangen werden musste. Waren wirklich Berggeister erzürnt worden, drohte den Männern in den Gruben Gefahr. War es hingegen ein übler Streich abenteuerlustiger Burschen, so gehörten sie unnachgiebig bestraft. Mit den Berggeistern war nicht zu scherzen; wer weiß, wie sie ihnen die Herausforderung einmal heimzahlen mochten. Wenn die
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