Die Entscheidung der Hebamme
ließ sich Raina auf das Bett sinken und schloss die Augen, bis Marthe ihr das gewaschene und gewickelte Neugeborene reichte. Erschrocken fuhr sie zurück.
»Das ist unmöglich … sein Haar ist so dunkel!«
Sofort füllten Tränen die Augen der jungen Mutter.
»Er wird es nicht anerkennen … Wir sind doch beide blond … Aber ich schwör’s, es ist von ihm, ich war mit keinem anderen zusammen …«
Rasch versuchte Marthe, die aufgelöste junge Mutter zu beruhigen. »Zuerst sind sie fast alle so dunkel. Mach dir keine Sorgen! Er wird schon noch blond werden.«
»Wirklich?« Hin- und hergerissen zwischen Angst und Hoffnung, wagte Raina ihren Blick nicht von Marthe zu lösen.
»Ja, wirklich«, beteuerte Marthe. »Und jetzt komm, lass dich herrichten. Du willst doch hübsch aussehen, wenn du deinen Sohn seinem Vater vorstellst?«
Ein halber Tag verstrich ereignislos, bis ein Reiter auf den Burghof preschte und rief: »Die Männer kommen vom Kriegszug des Kaisers zurück!«
Schnell füllte sich der Hof mit Menschen, die Ausschau halten und die Zurückkehrenden begrüßen wollten.
Mit klopfendem Herzen versuchte Marthe von der Fensterluke aus zu erkennen, ob die kleine Reiterschar vollzählig war und ob sie Verwundete mit sich führte. Doch der Trupp bewegte sich zu rasch, um die Männer zu Pferde zählen zu können.
Also lief sie hinunter auf den Burghof. Gleich nach ihr kam Adela und stellte sich neben ihr auf.
»Bitte, rasch, helft mir, sitzt mein Schleier richtig?«, fragte die junge Frau, während Röte in ihre Wangen schoss.
Verblüfft darüber, dass Adela diesmal nicht nörgelte oder zeterte, sondern anscheinend voll aufgeregter Freude über die Rückkehr ihres Mannes war, rückte Marthe den Reif zurecht, der das feine Tuch über den blonden Locken hielt.
»Ihr seht sehr hübsch aus«, versicherte sie erleichtert.
Im Gesicht der Jungvermählten stand auf einmal wieder jene schwärmerische Verliebtheit, mit der sie Lukas vor der Hochzeitsnacht angesehen hatte.
Vielleicht kommt doch noch alles ins Lot, dachte Marthe. Vielleicht können sie vergessen, was auch immer in jener Nacht geschehen war, und von vorn beginnen. Ich wünsche es Lukas – und uns allen, damit endlich wieder Frieden auf der Burg einkehrt.
Adelas hochnäsiges und schnippisches Benehmen hatte in den letzten Wochen nicht nur Christians Geduld erschöpft. Auch zwischen Marthe und Adela hatte es zunehmend Streit gegeben, insbesondere darüber, wie Adela ihre Launen am Gesinde ausließ.
Mechthild trat schwer atmend zu ihnen und brachte den Willkommenspokal, der so reichlich gefüllt war, dass sein Gewicht der übermüdeten Marthe bald die Arme nach unten zog.
Schon passierten die ersten Reiter das Tor.
Lukas scheint unverletzt zu sein, dachte Marthe erleichtert, während Adela neben ihr vor Freude aufjuchzte und dann erschrocken über den unziemlichen Ausbruch die Hand auf den Mund presste.
Gemeinsam liefen sie mit raschen Schritten dem Anführer der Schar entgegen.
»Du lebst! Und es geht dir gut! Gott sei es gedankt! Willkommen zurück«, begrüßte Marthe Lukas von Herzen. »Wir hatten nicht so zeitig mit euch gerechnet. Sind alle unversehrt?«
»Gesund und munter … und sehr durstig!«, meinte Lukas lachend und griff nach dem Pokal. Er nahm einen tiefen Schluck, dann setzte er ab und wollte ihr das Trinkgefäß zurückgeben. Dabei fiel sein Blick auf seine Frau, die ihn mit leuchtenden Augen ansah.
»Meine Gemahlin«, sagte er frostig, und das Lächeln auf Adelas Gesicht erstarb jäh.
Marthe sah, dass sie nur mit Mühe Haltung bewahrte und die Tränen zurückhielt.
»Seid willkommen, Gemahl«, entgegnete Adela, nun ebenso frostig. Lukas saß ab, und während er ihr den Rücken zuwandte, ging sie mit immer schneller werdenden Schritten zurück zum Palas.
»Ganz gleich, was zwischen euch vorgefallen ist – sei nicht zu streng mit ihr«, raunte Marthe Lukas zu, der seiner Frau nur flüchtig nachsah und sich dann wieder seinem Fuchshengst zuwandte. »Ihr seid jetzt auf immer miteinander verbunden. Mach das Beste daraus!«
Lukas’ Gesicht blieb ungewohnt eisig. »Da wir gerade davon reden – Mechthild soll mir heute noch eine eigene Kammer zuweisen«, entgegnete er brüsk.
Dann drehte er sich um und begann, den Männern Kommandos zu erteilen, die mit ihm zurückgekehrt waren.
Betroffen sah Marthe ihm nach.
Wie konnte sie nur vermitteln? Doch der Lärm und die Geschäftigkeit auf dem Burghof ließen ihr
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