Die Entscheidung der Hebamme
Adela zu umarmen. Womöglich hätte diese die freundschaftliche Geste trotz ihrer Verzweiflung sogar zurückgewiesen. Also führte sie die junge Ehefrau in die Kammer, schloss die Tür hinter sich, setzte sie auf eine Bank und füllte ihr einen Becher mit Wein, den sie zur Beruhigung mit ein paar Tropfen eines Schlaftrankes versetzte.
Gehorsam trank Adela davon, nachdem sie sich die Nase am Ärmel abgewischt hatte.
»Ich werde bei Lukas ein Wort für Euch einlegen«, versprach Marthe schließlich nach einer ganzen Weile des Schweigens.
Ja, dachte Adela mit jäh aufflammendem neuem Zorn. Auf dich wird er hören. Denn dich liebt er noch viel mehr als diese Hure von einer Brotmagd.
Lukas hatte keine Eile, das Willkommensfest am Abend in der Halle zu verlassen. Wozu auch? Ihn erwartete sowieso nur ein leeres Bett. Warum also sollte er nicht mit den anderen feiern? Selbst wenn auf dem Feldzug kaum gekämpft worden war, er hatte alle seine Männer lebend und gesund nach Hause gebracht. Außerdem war er Vater geworden. Mehr als Grund genug, sich den Becher neu zu füllen.
Mittlerweile hatte sich die Halle beträchtlich geleert, die meisten Zecher waren entweder sturzbetrunken nach draußen getorkelt oder längst heim zu ihren Familien gegangen.
Er war so in Gedanken versunken, dass er Marthe erst bemerkte, als sie plötzlich neben ihm saß.
Mit schwerem Blick sah er zu ihr auf. »Danke, dass du Raina beigestanden hast.«
Sie lächelte ihm zu. »Ich habe gerade nach ihr gesehen. Sie schläft. Es geht ihr gut. Und vorhin hat dein Sohn schon kräftig getrunken.« Sie wies auf seinen vollen Becher. »Scheint ganz nach dem Vater zu kommen.«
Lukas musterte sie misstrauisch. Er war noch nüchtern genug, um mitzubekommen, dass sie ihm ins Gewissen reden wollte. Dazu kannte er sie zu genau.
»Wenn du ein gutes Wort für meine Gemahlin einlegen willst, bist du bei mir falsch«, meinte er mürrisch.
Statt Verständnis oder Mitgefühl sah er auf einmal Streitlust in Marthes Zügen – etwas, das sie nur selten zu erkennen gab, und dann auch nur gegenüber Freunden.
»Nein, da bin ich genau richtig!«
Sie brauchte die Stimme nicht zu senken; links und rechts von ihnen waren genug Plätze frei, damit dieses heikle Gespräch vertraulich blieb.
»Sie weiß inzwischen, dass es falsch war, dich zu dieser Heirat gezwungen zu haben, und sie bereut es. Aber schließlich hast
du
um ihre Hand angehalten«, redete sie halblaut auf ihn ein. »Sie ist jetzt genauso an dich gebunden wie du an sie. Wollt ihr euch das Leben gegenseitig zur Hölle machen? Versucht beide, noch einmal von vorn zu beginnen. Sie ist bereit dazu. Also?«
»Du wirst ja sowieso keine Ruhe geben«, protestierte er halbherzig.
»Genau.«
Sie lächelte ihn an, und dieses Lächeln brach ihm beinahe das Herz. Rasch wandte er seinen Blick ab und nahm einen tiefen Schluck aus dem Becher, damit sie sein Gesicht nicht sehen konnte.
Aus Gewohnheit wäre Lukas beinahe versehentlich in seine alte Kammer gegangen, nachdem er die Halle verlassen hatte. Dann fiel ihm gerade noch ein, dass dort ja jetzt seine Frau schlief und er ihr versprochen hatte, sie nicht mehr zu behelligen. Unwirsch kehrte er um und versuchte, sich zu erinnern, welche Kammer ihm Mechthild nun zugewiesen hatte.
Einige Zeit später stand er in der Tür und glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Seine Waffen, sein Umhang und sein Gepäck waren bereits in den Raum gebracht worden. Doch nicht das war es, was ihn verblüffte. Auf dem Bett saß niemand anders als Adela und sah ihn mit zaghaftem Lächeln an. Sie hatte Schleier und Bliaut abgelegt, die langen blonden Locken fielen über das dünne Untergewand.
Zornig warf er die Tür hinter sich zu und blieb mit verschränkten Armen in größtmöglichem Abstand von ihr stehen.
»Wollt Ihr mir das erklären, Gemahlin?«, sagte er, und das Grollen in seiner Stimme bewirkte nur, dass Adela noch kläglicher blickte.
»Ich möchte Euch um Verzeihung bitten … für alles«, flüsterte sie, die Lider gesenkt. »Und Euch versprechen, dass ich Euch künftig in allem eine gehorsame Gemahlin sein werde.«
Plötzlich sah sie auf, lächelte tapfer und ließ sich auf das Laken sinken, ohne ihn aus den Augen zu verlieren.
Mit zwei Schritten war er bei ihr.
»Oh, nein!« Heftiger, als ihm lieb war, griff er nach ihrem Arm und zog sie hoch. »Ihr habt Euch schon zweimal in mein Bett geschlichen, und jedes Mal hat das nur Unglück bewirkt. Geht jetzt, auf der
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