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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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bringen. Befehle wurden durcheinandergeschrien, um die Verschütteten schleunigst zu befreien.
    Von der Mauer tönte lautes Hohngelächter; Verwünschungen und Drohungen gegen die Belagerer wurden herabgebrüllt.
    Christian und Lukas wechselten einen vielsagenden Blick.
    »Es scheint wieder einmal die reine Freude zu werden«, sprach Lukas aus, was beide dachten.
    Sie saßen ab und übergaben ihre Pferde David und Georg, den beiden Knappen, die mit fassungslosen Gesichtern das Geschehen bei den Dämmen betrachtet hatten. Dann erteilte Christian Befehl, an den vorgegebenen Stellen Zelte, Feuerstellen und Pferdekoppeln zu errichten.
     
    Statt mit dem Schwert zu streiten, schleppten Ottos Männer Körbe voll Erdreich und Schlamm und sammelten Strauchwerk, um dem Damm mehr Halt zu geben.
    Tag um Tag konnten sie zusehen, wie das Wasser stieg, auch wenn die Belagerten ihre Arbeiten immer wieder zu behindern suchten. Bogenschützen zielten von den Mauern aus auf diejenigen, die an den Wällen bauten.
    Bernhards Schützen trafen gut. Es gab so viele Verletzte und Tote, dass die Männer hinter dem entstehenden Damm in Deckung bleiben mussten, was die Arbeiten verzögerte.
    Dessen ungeachtet begannen Wichmanns Männer, auch noch die Bever kurz hinter Haldensleben so anzustauen, dass das heranströmende Wasser nicht mehr abfließen konnte. Die Stadt war nun von zwei schmalen, aber täglich tiefer werdenden Seen umgeben, deren Fluten längst die Wälle vor den Mauern überschwemmt hatten und nun an den mächtigen Befestigungsmauern leckten.
    Schließlich, kurz vor Ostern, war das Wasser so hoch angestiegen, dass nur noch ein paar Handbreit fehlten, bis es über die Stadtmauer strömen würde.
     
    Christian war zu Grete gegangen und sah zu, wie sie Bier an ein paar Ritter aus dem Groitzscher Lager verkaufte.
    Das Alltägliche in ihren Gesten, die Selbstverständlichkeit, mit der sie die Männer versorgte und dabei mit spöttischen Bemerkungen nicht sparte, erinnerten ihn an zu Hause.
    In den wenigen stillen Momenten, die ihm an diesen Tagen blieben, überfiel ihn regelmäßig der Gedanke, was er hier eigentlich tat und warum er an diesem freudlosen Ort weilte. Er sehnte sich nach Marthe; noch viel mehr, als er erwartet hatte. Der Gedanke, sie an sich zu pressen, ihren Duft zu spüren und sie an den weichsten Stellen ihres Körpers zu liebkosen, beschäftigte ihn mehr, als ihm an diesem Platz und unter diesen Umständen lieb sein konnte. Er sorgte sich, ob es ihr gutging und ob sie auch zurechtkam mit all der Arbeit, die nun auf ihr lastete, da sie die Verantwortung für vierhundert weitere Menschen trug. Und ob er genug für ihren Schutz getan hatte, indem er Reinhard, Walther, Kuno und Bertram zurückgelassen hatte. Sicher, Pater Hilbert, der Bergmeister, der Münzmeister und die Schmiede waren angesehen genug, um ihr ebenfalls zur Seite zu stehen, wenn sie Hilfe brauchte, und würden es auch ohne Zögern tun. Und der alte Friedmar, den Otto Reinhard zur Seite gestellt hatte, galt unter der Meißner Ritterschaft als angesehen und gerecht. Aber wer wusste, was inzwischen in Christiansdorf geschehen mochte? Hätte er sie doch besser mit den Kindern zur Sicherheit bei einem seiner Freunde unterbringen sollen?
    Die Abschiedsworte seiner Frau und seiner Tochter wollten ihm nicht aus dem Kopf gehen.
    »Du wirst lange fortbleiben, so lange wie noch nie«, hatte Marthe gesagt, bemüht, tapfer dreinzublicken.
    Aber noch mehr beunruhigten ihn Claras Worte. »Und dann komm nach Hause, so schnell du kannst!«
    So eindringlich und mit ungewohnter Ernsthaftigkeit hatte seine Tochter ihn beschworen, dass ihn sogar noch in der Erinnerung ein unheimliches Gefühl überkam.
    Als Grete ihn entdeckte, begrüßte sie ihn respektvoll und bot ihm etwas aus ihrem Fass an. Doch Christian lehnte dankend ab. Nach kaltem Bier stand ihm jetzt nicht der Sinn.
    »Morgen also ist es so weit«, meinte Grete mit triumphierendem Blick auf das, was von Haldensleben noch hinter den Dämmen zu erkennen war, während die Groitzscher um sie herum lärmten.
    »Ich hoffe, die Bewohner können sich auf die Dächer retten oder ergeben sich rechtzeitig. Ich weiß nicht, wie viele Tote es geben wird, wenn Wichmann wirklich das Wasser in die Stadt fluten lässt.«
    Grete sah ihn verblüfft an.
    »Für einen Ritter äußert Ihr da recht merkwürdige Bedenken«, sagte sie, während sie sich ächzend auf eines der inzwischen leeren Fässer sinken ließ.
    »Weil Krieg eine

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