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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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einen Weg gefunden, die uneinnehmbare Burg in Bälde zu erobern.
    Jeden Abend wurde an den Lagerfeuern spekuliert, wie der Erzbischof, der Haldensleben schon seit Anfang Februar belagerte, wohl die Festung einnehmen wolle.
    Sie alle waren angespannt angesichts dessen, was sie erwarten mochte: eine so gut wie unbezwingbare Burg im Moor, die nun auch noch von einem weithin gefürchteten Kämpen kommandiert wurde. Bernhard von Lippe war berüchtigt für die Unbarmherzigkeit, mit der er ganze Landstriche hatte verwüsten lassen, und er stand in dem Ruf, vor keinem Mittel zurückzuschrecken, um seine Feinde in die Knie zu zwingen. Auf der Wegstrecke von Magdeburg hierher hatten sie mehr als genug niedergebrannte Dörfer gesehen, die davon kündeten.
    »Riechst du’s? Wie hab ich diesen anheimelnden Duft vermisst! Das macht wahrhaft Lust auf ein paar gemütliche Tage mehr in Kälte, Schlamm und beißendem Qualm.«
    Auch Christian, der Lukas’ Lästereien auf dem letzten Stück Wegstrecke wortlos hatte über sich ergehen lassen, konnte den modrigen Geruch wahrnehmen, der ihn nur zu gut an die schier endlosen Wochen erinnerte, als sie vergeblich die Welfenfestung belagert hatten.
    »Wenigstens scheint diesmal nichts zu brennen«, meinte er lakonisch.
    »Sie haben uns ja auch damals schon alles unter den Füßen abgefackelt«, murrte Lukas. »Vermutlich starren jetzt Wichmanns Verbündete wie Maulwürfe aus den ausgebrannten Erdlöchern auf die Festung. Bernhard von Lippe wird sich ein Vergnügen daraus machen, die abgenagten Knochen von seinen Mahlzeiten auf die hungrigen Belagerer herabzuwerfen.«
    Christian verzichtete darauf, dem Freund etwas zu entgegnen.
    Das Gute an Lukas’ wiedererwachter Redseligkeit war, dass sie von der offensichtlichen Aussöhnung zwischen ihm und Adela kündete. Zwar hatte Christian nicht den Eindruck, dass sein Freund inzwischen übermäßig innige Gefühle für seine Angetraute hegte, und er sprach auch nie über sie. Aber immerhin war er einige Zeit nach seiner Rückkehr von der Reichsheerfahrt zu Adela in die gemeinsame Kammer gezogen. Unmittelbar vor ihrem Aufbruch hatte die junge Frau sie alle mit der stolz vorgetragenen Nachricht überrascht, dass sie ein Kind erwarte.
    Wachsam sah Christian nach vorn. Nur noch ein Stück durch das Wäldchen, dann würden sie das Lager ihrer Verbündeten sehen können.
    Als er es vor Augen hatte, verschlug es ihm vor Überraschung die Sprache. Selbst dem redseligen Lukas an seiner Seite erging es ebenso. Auch der Markgraf und dessen engste Begleiter vor ihnen hatten ihre Pferde zum Stehen gebracht, um das verblüffende Bild in sich aufzunehmen.
    Die Landschaft um die Burg hatte sich beträchtlich verändert, und zugleich offenbarte sie den Betrachtern Wichmanns erfolgversprechenden Plan.
    Haldensleben war in eine Insel verwandelt. Zusätzlich zur Ohre, die an der Stadt vorbeifloss, hatten die Bewohner noch das Flüsschen Bever zur anderen Seite umgeleitet, so dass der Ort fast vollständig von Wasser umgeben war. Doch womit sie sich schützen wollten, das würde ihnen nun zum Verhängnis werden.
    Wichmanns Männer waren dabei, den Abfluss der Ohre durch einen Damm zu versperren. Weitere Dämme begrenzten das Bett der Bever nach der zur Stadt abgewandten Seite.
    »Was ist mein Vetter doch für ein schlauer Fuchs«, tönte Otto, als er sich von der ersten Überraschung erholt hatte. »Das hat vor ihm noch keiner versucht! Er will die Stadt fluten!«
    Und wie es aussah, waren die Belagerer nicht mehr allzu weit von der Ausführung ihres Vorhabens entfernt.
     
    Ein Beauftragter des Magdeburger Erzbischofs ritt der wettinischen Streitmacht entgegen und führte sie zu dem für sie vorgesehenen Lagerplatz, den Christian sofort wiedererkannte. Nur fehlten nun die verkohlten Überreste des Belagerungsturms, der einst hier in Flammen aufgegangen war. Wahrscheinlich waren sie längst von Wichmanns Männern verfeuert worden, um etwas zu kochen oder die Märzkälte zu vertreiben.
    Hektisches Gebrüll lenkte die Blicke der gerade Angekommenen zum Zentrum der Geschäftigkeit. Von der Brustwehr der Burgmauer katapultierten die Gefolgsleute Bernhards von Lippe Geschosse auf die Dammbauer. Dutzendfach stürzten Getroffene unter Schmerzensschreien, an mehreren Stellen brachten die Steine das aufgeschüttete Erdreich ins Rutschen. Da und dort rollten ganze Lawinen zu Boden und rissen Menschen mit sich. Die anderen rannten, so schnell sie konnten, um sich in Sicherheit zu

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