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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Sache des Wehrstandes sein sollte, der diese Aufgabe übernommen hat, und nicht von wehrlosen Bauern und einfachen Handwerkern, von Frauen, Kindern und Greisen«, erwiderte Christian.
    Grete prustete verächtlich. »Sie sehen doch, wie das Wasser steigt. Sollen sie auf die Dächer klettern!«
    »Ich hätte nicht erwartet, dich so reden zu hören«, erklärte Christian einigermaßen befremdet.
    »Wieso, Herr?«, meinte die Alte. »Die Magdeburger haben allen Grund, diesen Ort zu hassen. Wie viele verheerende Angriffe sind von hier aus geführt worden! Habt Ihr unterwegs nicht die verstümmelten Leichen und die niedergebrannten Häuser gesehen? Ich bete darum, bei Gott und allen Heiligen, dass Fürst Wichmann morgen Erfolg hat.«
    »Hast du Freunde oder Verwandte verloren durch die Überfälle?«
    »Ja«, meinte Grete voller Bitterkeit. »Die ganze Familie meiner Schwester, allesamt erschlagen, selbst das Jüngste, das noch nicht einmal von der Mutterbrust entwöhnt war. Und was sie zuvor meiner Großnichte angetan haben, das wollt Ihr nicht hören, Herr.«
    Grete wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht, dann schüttelte sie sich, als könne sie damit die schlimmen Erinnerungen abwerfen.
    »Diese Burg muss vernichtet und Bernhard geschlagen werden. Glaubt mir, Herr: Wenn unser Herr Erzbischof seine Magdeburger herbeiruft, damit sie Haldensleben bis auf die Grundmauern zerstören – sie werden es mit Freuden tun.«
     
    Das Wasser stieg schneller als erwartet. Die Morgendämmerung war kaum angebrochen, als Jubelrufe die Belagerer aus den Zelten lockten. Auch Christian hatte gewohnheitsmäßig nach seinem Schwert gegriffen, als er nach draußen stürzte. Doch in dem fahlen Licht konnte er erkennen, dass er die Waffe vorerst nicht brauchen würde. Aufgeregt gestikulierend, standen schon etliche von Wichmanns Leuten dort und schauten zu, wie das angestaute Wasser über die Mauerkrone in den Ort strömte. Würden die Fluten die Belagerten im Schlaf ertränken?
    Christian blieb keine Zeit für müßige Betrachtungen. Mit eiligen Schritten lief er zu Ottos Zelt, um sich dort zu melden und auf Befehle zu warten. Ekkehart traf nur wenige Augenblicke nach ihm ein, mit der üblichen undurchdringlichen Miene. Die beiden Ritter grüßten sich mit einem Nicken, wie es knapper nicht ausfallen konnte.
    Dietrich kam als Erster aus dem Zelt, hellwach und mit nur mühsam verborgener Aufregung. Sein Vater folgte ihm kurz darauf. Otto wirkte nicht so, als ob er in der Nacht überhaupt geschlafen hätte. Und sein Gang deutete darauf hin, dass ihm Knochen und Gelenke noch mehr als sonst schmerzten. Mit einer Handbewegung bedeutete er Christian und Ekkehart, die vor ihm knieten, sich zu erheben und ihm zu folgen.
    Wichmann und der Kölner Erzbischof standen mit ihren engsten Vertrauten – unter ihnen auch Gerald und Hoyer, die Christian mit einem kameradschaftlichen Nicken begrüßten – auf dem mannshohen Podest, das seine Leute errichtet hatten, um genau zu verfolgen, was in der belagerten Stadt vor sich ging. Immer noch strömte Wasser über die Mauer. Auf vielen Dächern herrschte hektische Betriebsamkeit. Schindeln wurden herabgeworfen, im freiliegenden Gebälk kletterten Menschen herum, zerrten Säcke oder Körbe mit sich, um wenigstens einen Teil ihrer Habe und ihrer Vorräte retten zu können.
    »Schickt Boote mit Bewaffneten aus! Bietet freien Abzug, wenn sie kapitulieren«, befahl Wichmann Gerald. »Ich werde für unseren Erfolg beten.«
    »Christian wird Euch als Unterhändler begleiten«, entschied Ekkehart.
    Christian nahm das wortlos hin. Als Befehlshaber von Ottos Streitmacht stand es Ekkehart zu, solche Entscheidungen zu treffen.
     
    Es dauerte einige Zeit, bis ausreichend gerüstete Männer die Boote bestiegen hatten, um auf die Mauer zuzurudern.
    Auch Christian ließ sich von den Knappen Gambeson, Kettenpanzer und -helm anlegen. Als er gemeinsam mit Gerald und Hoyer von Falkenstein in das Boot stieg, stellte er fest, dass dies in voller Bewaffnung nicht gerade ein leichtes Unterfangen war.
    Da lob ich mir einen ehrlichen Zweikampf mit festem Boden unter den Füßen, dachte er, während er versuchte, die Balance zu halten und gleichzeitig zu verhindern, dass sein Schwert beim Einsteigen gegen die Holzplanken schlug.
    Doch als er sich umblickte, erkannte er, dass nicht nur er Schwierigkeiten hatte. Etliche Boote schwankten gefährlich, während die Männer einstiegen, zwei kenterten, und mit entsetztem Aufschrei

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