Die Entscheidung der Hebamme
stürzten die Insassen ins Wasser. Eines befand sich noch in ausreichend flachem Wasser, so dass die Männer prustend und fluchend an Land kriechen konnten. Die Besatzung des zweiten Bootes hatte weniger Glück. Von den schweren Kettenhemden wurden die Männer ohne Aussicht auf Rettung auf den Grund gezogen.
Gerald bekreuzigte sich hastig.
Dann blickte er zu Wichmann und wartete, dass dieser das Zeichen zum Ablegen gab.
Die beiden Männer, die Christian, den Magdeburger und den Kölner Ritter an der Spitze der Belagerer zur Stadt ruderten, waren erfahren im Umgang mit Booten. So wagte es Christian, sich vorsichtig umzudrehen, um das Bild aufzunehmen, das sich den Haldenslebenern bot: unzählige Kähne mit schwerbewaffneten Männern, die sich der gefluteten Stadt näherten.
Die anderen hielten ausreichend Abstand von ihnen, um erkennen zu lassen, dass es sich bei der Besatzung des ersten Bootes um Unterhändler handelte. Gerald hielt das Banner Wichmanns hoch, um keinen Zweifel an ihren Absichten zu lassen.
Die Ruderer hielten auf die höher gelegenen Mauern der Burg zu, um nicht mit ihrem flachen Gefährt in die Stadt gespült zu werden. Dort hatte die gegnerische Besatzung bereits zwei Reihen Bogenschützen postiert. Jetzt trat ein Mann mit knielangem Kettenpanzer und normannischem Helm zu ihnen und brüllte etwas, das Christian und Gerald nicht verstehen konnten. Doch sie erkannten sofort, welches Kommando er gegeben haben musste. Die Bogenschützen legten Pfeile ein, hoben ihre Waffen und zielten damit auf das Boot an der Spitze.
Unwillkürlich hielt Christian den Atem an. Sie hatten keine Schilde dabei und waren einem Pfeilhagel wehrlos ausgeliefert. Und falls das Boot kenterte, weil auch nur einer an Bord stürzte, würden sie allesamt mit ihren schweren Kettenhemden ohne Chance auf Rettung ertrinken.
So schnell er konnte, ohne das Boot aus dem Gleichgewicht zu bringen, stand Gerald auf und rief, so laut er konnte: »Wir kommen als Unterhändler!«
Der Anführer befahl seinen Schützen, zu warten. Zwar flog noch kein Pfeil, dennoch ließ niemand den Bogen mehr als eine Handbreit sinken.
Inzwischen war das Boot der Unterhändler auf zwanzig Fuß an die Mauern herangekommen.
Nun konnten sie den Anführer auf dem Turm verstehen, als er seinen Männern befahl, zu schießen.
»Gott steh uns bei!«, hörte Christian Hoyer hastig flüstern und wappnete sich gegen einen Treffer. Widersinnigerweise hoffte er auf den Schutz durch Gambeson und Kettenhemd, auch wenn sie dafür schon zu nah bei den Schützen waren.
Doch die ersten Pfeile tauchten zwei Armlängen vor ihnen zischend ins Wasser, die fast gleichzeitig abgeschossene Salve der zweiten Reihe Bogenschützen ein Stück hinter ihnen.
Sie spielen mit uns, erkannte Christian.
»Ihr schießt auf Unterhändler?«, wandte sich Gerald, laut protestierend, dem Befehlshaber zu.
»Ein Ehrensalut für die tapferen Belagerer!«, rief der andere höhnisch zurück. »Und ein Zeichen, dass wir genug Pfeile haben, um auch ein paar im Bächlein zu versenken.«
Sie waren nun nah genug heran, dass Christian ihren stämmigen Widersacher mustern konnte. Kettenhaube und Nasalhelm ließen wenig von seinem faltenzerfurchten Gesicht erkennen, aber seine Stimme war befehlsgewohnt, seine Rüstung von bester Qualität, sofern sich das aus der Entfernung erkennen ließ. Wenn dies nicht Bernhard von Lippe selbst war, dann zumindest einer seiner Hauptleute.
Der andere machte keine Anstalten, sich vorzustellen.
»Wie lautet Euer Angebot?«, brüllte er zu den Männern auf dem Fluss hinab.
»Freier Abzug für die Bürger der Stadt mit allem, was sie binnen drei Wochen fortschaffen können, und für Bernhard und seine Männer, wenn ihr kapituliert!«, rief Gerald.
»Das sichert uns Wichmann zu?«, fragte der andere zurück.
»Ja.«
»Wir sind nicht befugt, Haldensleben ohne Erlaubnis Herzog Heinrichs zu übergeben.«
Gerald verzichtete auf den Hinweis, dass Heinrich längst kein Herzog mehr war, sondern ein Geächteter. Streit um Förmlichkeiten brachte sie hier nicht weiter. Wenn Haldensleben schnell kapitulierte, würde das beiden Seiten viel Blut und Leid ersparen. Doch da Bernhard von Heinrich das Kommando über die Stadt bekommen hatte, durfte er sie nur mit dessen Erlaubnis übergeben.
»Schickt ihm einen Boten! Er bekommt freies Geleit«, bot Gerald an, der von Wichmann die Vollmacht zu diesem Angebot erteilt bekommen hatte. Niemand erwartete, dass der Geächtete mit
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