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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Marthe und den Seinen trennten. Er war nun beinahe ein halbes Jahr fort gewesen, so lange wie noch nie. Je näher sie Christiansdorf kamen, umso stärker wurden seine Ängste um Marthe.

Schlechte Nachrichten
    Wie üblich hatte Christian auf dem letzten Stück Wegstrecke einen Reiter vorausgeschickt, der ihre Ankunft in Christiansdorf ankündigen sollte.
    Ob er zurückkehren würde, um ihn auf schlechte Nachrichten vorzubereiten? Oder um Lukas von der glücklichen Geburt seines Kindes zu berichten?
    Doch der Bote kam nicht zurück.
    Also ritt Christian an der Spitze seiner Schar weiter, so schnell sie konnten. Sie alle wollten nach Hause. Lukas an seiner Seite war ungewöhnlich still und schien in eigene Gedanken verstrickt, Christian jedoch wurde immer banger zumute. Was mochte in dem halben Jahr seiner Abwesenheit im Dorf geschehen sein?
    Wie jedes Mal war der Burghof bereits voller Menschen, die die aus dem Krieg Heimgekehrten begrüßen und Ausschau nach Freunden und Verwandten halten wollten.
    Doch als die Reiterschar das Tor passierte, schien Christians Herzschlag für einen Moment auszusetzen: Nicht Marthe stand dort mit dem Willkommenstrunk neben Reinhard, sondern Waltrud, die Goslarer Witwe, die auf dem Marsch hierher seine Verbündete geworden war.
    Vielleicht ist sie zu einer Entbindung gerufen worden, redete er sich zu, um sich selbst zu beruhigen. Als er Clara mit ungewohnt ernster Miene dicht hinter Reinhard entdeckte, überfiel ihn inmitten all der jubelnden Menschen eine solche Düsternis, dass er glaubte, das Ende aller Tage sei nah.
    Waltrud begrüßte Christian ehrerbietig und reichte ihm einen Krug Bier.
    »Meine Frau?«, fragte Christian, noch ehe er den ersten Schluck nahm.
    »Sie ist krank und liegt zu Bett«, gab Waltrud mit besorgter Miene Auskunft.
    »Jetzt besteht Hoffnung«, ließ sich Clara vernehmen und trat vor. »Rasch, gehen wir zu ihr!«
    Christian reichte den Krug hastig weiter an Lukas, der ebenso vergeblich nach seiner Frau Ausschau gehalten hatte wie er nach Marthe, und schwang sich aus dem Sattel.
    Reinhard gab Christian den Schlüssel zur Burg zurück und wandte sich sofort mit ernster Miene an Lukas. »Du hast einen Sohn. Aber deine Frau … Es tut mir leid … Gott sei ihrer Seele gnädig.«
    Reinhard bekreuzigte sich und winkte ein blutjunges Mädchen zu sich, die ein Neugeborenes im Arm hielt.
    »Eure Gemahlin wollte, dass Euer Sohn nach Euch benannt wird, Herr«, sagte sie schüchtern. »Ich bin Rosa, seine Amme.« Sie schlug die Augen nieder und sank zu einem tiefen Knicks zu Boden.
    Lukas warf einen Blick auf seinen schlafenden Sohn, der sich gerade im Traum regte und seine winzig kleinen Hände zu Fäusten ballte, und sagte kein Wort. Dann folgte er Christian und Clara mit langen Schritten, die bereits auf dem Weg in Marthes Kammer waren.
    Doch die energische Waltrud hielt ihn auf. »Wenn Ihr Euch zuerst von Eurer Gemahlin verabschieden wollt – sie ist in der Kapelle aufgebahrt. Wir haben die Beerdigung so lange hinausgezögert, wie es ging, in der Hoffung, dass Ihr noch rechtzeitig kommt.«
     
    Johanna wachte an Marthes Krankenbett, selbst blass, müde und erschöpft.
    Als sie Christian sah, sprang sie sofort auf. »Der Herr sei gepriesen! Ihr seid zurück! Jetzt wird sie gesund.«
    Marthe schien in tiefen Schlaf versunken.
    »Wir hatten eine Fieberseuche im Dorf«, flüsterte Johanna. »Sie hat bis zur völligen Erschöpfung gearbeitet. Und dann ist Daniel auf den Tod krank geworden.«
    Christian fuhr zusammen. »Er lebt, wir haben ihn mit Mühe durchbekommen«, sagte sie schnell, als sie sein Erschrecken bemerkte. »Es geht ihm wieder gut, er ist mit Ritter Friedmar ausgeritten.«
    Wenigstens ist dieser Kelch an mir vorbeigegangen, dachte Christian, mehr verbittert als erleichtert, denn er wusste wohl, dass Johanna noch einige Unglücksbotschaften für ihn haben würde. So viele Kinder starben in den ersten Lebenswochen oder Jahren, da war es ihm bisher stets als große Gnade vorgekommen, dass seine Kinder – abgesehen von dem Ungeborenen, das Marthe unter der Folter verloren hatte und um das sie immer noch trauerte – kräftig und gesund waren. Er konnte sich nicht vorstellen, eines zu verlieren.
    »Die Sorge, die vielen durchwachten Nächte haben sie zermürbt. Doch ich glaube, es war die unglückselige Entbindung, die sie die letzte Kraft gekostet hat«, berichtete Johanna leise weiter. »Wenn Ihr für einen Moment bei ihr bleiben könnt … Ich hole

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