Die Entscheidung der Hebamme
doch einmal als Fürstin handeln. Sie trat vor den Kaiser und erklärte, sie werde Lüneburg nicht übergeben, denn dies sei ihr Hochzeitsgut und gehöre ihr. Der Kaiser gestand ihr Lüneburg zu, ließ aber Hedwigs Brüder, den neuen Herzog von Sachsen und Markgraf Otto von Brandenburg, bei Bardowick zurück, um das Land zu sichern. Dann zog er mit dem Rest seines Heeres – in Ottos Gefolge waren auch Christian und Lukas – über die Elbe gen Lübeck.
Heinrich hatte alle Vorbereitungen für die Verteidigung der mächtigen Hansestadt getroffen und den größten Teil des ihm noch verbliebenen Heeres dort zusammengezogen. Seine wertvollsten Gefangenen, den Thüringer Landgrafen Ludwig und dessen Bruder Hermann, ließ er vorsichtshalber nach Segeberg bringen, um sie in sicherem Gewahrsam zu wissen.
Er wusste, dass die Lübecker treu zu ihm standen. Immerhin hatte er ihre – seine – Stadt zur Blüte gebracht.
Doch der Kaiser bekam überraschend zusätzliche Unterstützung: eine wendische Streitmacht sowie eine große Flotte des Dänenkönigs Waldemar, auf dessen Hilfe der Löwe gehofft hatte, an der Mündung der Trave. Waldemar kam mit dem Kaiser überein, dass eine Tochter des dänischen Königs Friedrichs Sohn, den Herzog von Schwaben, heiraten würde.
Solchermaßen zu Lande und zu Wasser belagert, sahen die Bürger Lübecks keinen anderen Ausweg, als den Kaiser um die Erlaubnis zu bitten, eine Gesandtschaft zu Heinrich nach Stade zu schicken. Sollte ihnen ihr einstiger Herzog zusichern, die Stadt entsetzen zu können, würden sie sie verteidigen, falls nicht, würden sie sich dem Kaiser fügen.
Schon nach wenigen Tagen kehrte die Lübecker Gesandtschaft mit der Order Heinrichs zurück, die Stadt dem Kaiser zu übergeben. Friedrich hielt prachtvoll Einzug in der Hansestadt.
Der Löwe hatte verloren. Er bat nun den Kaiser um sicheres Geleit nach Lüneburg und gab die beiden Thüringer Fürsten ohne Lösegeld frei. Ende August entließ der Kaiser den größten Teil seines Heeres.
Endlich durften auch Christian und Lukas mit Ottos Streitmacht heimkehren. Fast sechs Monate waren sie fern von zu Hause gewesen.
»Der Krieg ist vorbei.« Mit einem müden Lächeln wies Grete auf die Männer, die lachend, schwatzend und trinkend um sie herumstanden. Die Aussicht auf Heimkehr für die Männer hatte ihr reichlich Kundschaft beschert.
»Was wirst du nun tun? Löst du dein Geschäft auf?«, fragte Christian, der von Grete nachgeschenkt bekam, noch ehe er ausgetrunken hatte. »Das Angebot steht noch. Komm mit uns zurück nach Christiansdorf, und für deinen Lebensabend wird gesorgt sein.«
Grete warf einen strengen Blick auf ihre lärmende Kundschaft, dann drückte sie einem der Männer ihre Schöpfkelle in die Hand. »Hier, mach dich nützlich! Geht auf mich!«
Sie ignorierte das Johlen und die Hochrufe auf die freigiebige Gönnerin und bedeutete Christian mit einem Blick, ihr an einen ruhigeren Ort zu folgen.
Etwas abseits der lärmenden Gesellschaft blieben sie stehen.
»Gott danke Euch und Eurer Gemahlin für Eure Güte«, begann Grete. »Ich kann diesen weiten Weg jetzt nicht noch einmal gehen. Meine Zeit ist bald gekommen.«
Sie drückte Christian einen kleinen Gegenstand in die Hand, über den ein Leinentuch geknotet war, anscheinend eine Pfennigschale. »Hier, nehmt das und kauft davon Kerzen für mein Seelenheil. Ich werde Eure Fürsprache beim Allmächtigen benötigen.«
Ein wehmütiges Lächeln zog über das müde Gesicht der Alten. »Ich wollte mir hier einen friedlichen Platz zum Sterben suchen. Aber so Gott will und mich noch ein paar Tage bei Kräften lässt, folge ich Euch später. Doch Ihr solltet Euch beeilen. Um Eurer Frau willen! Ich weiß, Ihr tut Euer Bestes, um sie zu schützen. Aber ihr drohen Gefahren, vor denen ein Schwert sie nicht retten kann.«
Grete sah Christian eindringlich in die Augen, der sofort wieder an die unheilvollen Abschiedsworte seiner Tochter denken musste. Dann drehte sie sich einfach um und ging. Christian wusste, dass es zwecklos war, sie aufzuhalten und nach Einzelheiten zu fragen.
Ohne noch einmal zurückzuschauen, verließ Grete das Lager und wurde nicht mehr gesehen. Ihren Karren, so stellte sich später heraus, hatte sie einer noch jungen Marketenderin vermacht, die ihr gelegentlich zur Hand gegangen war.
Am nächsten Morgen ließ Otto seine Streitmacht Richtung Meißen aufbrechen.
Voll innerer Unruhe zählte Christian die Tage, die ihn noch von
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