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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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wuchs auch so atemberaubend schnell und brachte ihm ein Vermögen ein, ohne dass er den Bewohnern zusätzliche Rechte einräumen musste. Und Josef und seine Anhängerschaft zeigten nach wie vor keine Bereitschaft, sich um Rechte zu bemühen, die ihnen auch zusätzliche Pflichten eintrugen.
    »Die Gruben erstrecken sich nun schon mehrere Meilen um das Dorf herum bis in die Nachbardörfer«, erzählte Christian. »Die Burg ist fertiggebaut samt der Münze, die ersten Straßen im Kaufmannsviertel sind mit Holzbohlen belegt wie in einer Stadt, sogar ein kleines Judenviertel haben wir bereits. Von Christiansdorf aus wird nun im Auftrag des Markgrafen gehandelt bis ins Heilige Land.«
    Durch die Handelsreisen der Juden, die Christian hatte gewinnen können, sich in seinem Dorf niederzulassen, war Otto auch zu den kostbaren Stoffen und Farben gekommen, mit denen er seinen Hofstaat zu diesem Fest hatte schmücken lassen. Ausschließlich jüdische Kaufleute betrieben Fernhandel bis in die nur unter beträchtlichen Gefahren zu bereisenden Länder weit im Süden.
    Marthe sann derweil darüber nach, wie sie die Frage nach Lukas’ Befinden beantworten sollte. Der Freund hatte nach Adelas Tod keinerlei Bemühungen unternommen, sich eine neue Frau zu suchen, und das bestimmt nicht aus Trauer um die Verstorbene. Seine Söhne ließ er gemeinsam von der Amme aufziehen, beäugte misstrauisch, ob der Großknecht Raina gut behandelte, und gehörte nun wieder regelmäßig zu den Gästen des Hurenhauses.
    Das hatte doch nicht schließen müssen, nachdem Christian Pater Sebastian eindrücklich klargemacht hatte, ein solches Haus sei vonnöten, damit die Ledigen und Witwer nicht in Versuchung gerieten, ehrbare Frauen zu verführen oder gar über sie herzufallen.
    Als hätte Ludmillus Marthes Gedanken erraten, fragte er: »Wacht dieser Sebastian immer noch darüber, dass es nicht die geringste freudige Regung im Dorf gibt, vom sündigen Tanz und Gesang ganz zu schweigen?«
    Das hatte den begabten Spielmann auch dazu getrieben, den Dienst bei Christian zu quittieren und aus dem Dorf wegzuziehen, nachdem er wieder zu singen begonnen hatte. Er wollte weder selbst mehr Ärger als üblich bekommen noch Marthe und Christian welchen bereiten, in deren Lohn und Brot er schließlich gestanden hatte.
    Doch Christian kam nicht dazu, ihm zu antworten.
    Jemand trat ihnen in den Weg, und als Marthe den Mann erkannte, war ihr, als griffe eine eisige Hand nach ihrem Herzen und zerquetschte es. Christian schob seine Frau mit einer blitzschnellen Bewegung hinter sich.
    Vor ihm stand Wulfhart – der Herr des Dorfes, aus dem Marthe einst fliehen musste. Der Mann, der ihr zur Strafe dafür, dass seine Frau ein totes Kind geboren hatte, Hände und Füße abhacken lassen wollte.
    Das war mehr als ihr halbes Menschenleben her. Sich Christians Siedlerzug anzuschließen, blieb ihr an jenem schrecklichen Tag als einzige Aussicht auf Rettung. Und später bewahrten Christian, Raimund und Lukas sie im letzten Augenblick vor dem grauenvollen Schicksal, das der Burgherr für sie bestimmt hatte, als sie zweien seiner Reitknechte in die Hände gefallen war.
    In den Jahren seit Marthes Flucht aus dem fränkischen Heimatdorf war ihr einstiger Herr fett geworden. Sein Gesicht wirkte aufgedunsen, die Augen gerötet, und auch jetzt schien er dem Wein mehr zugesprochen zu haben, als ihm guttat.
    Sie konnte nur hoffen, dass Wulfhart zu betrunken war, um sie wiederzuerkennen, noch dazu, da sie jetzt, in ein teures Kleid gehüllt, an der Seite eines Ritters ging und ihr Haar bedeckt war.
    »Ich kenne Euch«, meinte Wulfhart zu Christian, und seiner Miene war zu entnehmen, dass er überlegte, wo er das ihm vage vertraute Gesicht einordnen sollte. Dann sah er triumphierend auf. »Wart Ihr nicht jener Ritter, der einst mit ein paar von meinen Bauerntölpeln in eine der östlichen Marken gezogen ist?«
    »Der bin ich«, antwortete Christian höflich und gelassen. »Ich hoffe, Ihr seid wohlauf.«
    »Und ich dachte damals, Ihr würdet unterwegs verhungern«, antwortete Wulfhart mit schwerer Zunge. »Aber anscheinend« – er ließ seine verquollenen Augen über Christians Kleidung und sein gutes Schwert wandern – »habt Ihr es inzwischen weit gebracht.«
    Nun richtete er seinen Blick nachdenklich auf Marthe, die Mühe hatte, nichts von ihrer Angst zu zeigen.
    »Kann es sein, dass mir Euer Weib schon einmal begegnet ist?«
    »Es ist ganz und gar unmöglich, dass Ihr diese Dame je

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