Die Entscheidung der Hebamme
und scheinbar beiläufig. Doch sowohl Marthe als auch Christian erkannten das geheime Flehen und die Sorge hinter ihren Worten.
Marthe stockte für einen Moment der Atem.
So weit also war die Feindschaft zwischen Dietrich und Albrecht schon gediehen, dass Hedwig um das Leben ihres Jüngsten fürchtete, wenn beide in vollen Waffen nebeneinanderritten!
Albrecht hatte die letzte Zeit überwiegend im Gefolge von König Heinrich zugebracht, der soeben zum Ritter geschlagen worden war, während Dietrich seit seiner Schwertleite und dem Kriegszug am Hof seines Vaters lebte. Doch nun würden Ottos Söhne gemeinsam an der Spitze der wettinischen Streitmacht reiten – in prachtvollen Gewändern und mit dem Wappen des Hauses. So war es der ausdrückliche Wunsch des Markgrafen.
»Seid unbesorgt, meine Fürstin«, versicherte Christian und verbeugte sich. Mit einem eindringlichen Blick, der allen anderen außer Marthe verborgen blieb, bedeutete er der Markgräfin, dass er verstanden hatte und entsprechend achtgeben würde.
Sichtlich erleichtert, atmete Hedwig auf. Mit einem Lächeln erlaubte sie Christian zu gehen, dann wandte sie sich zu ihren Hofdamen um und klatschte temperamentvoll in die Hände: »Kommt, rasch! Wir wollen doch das großartige Ereignis nicht versäumen!«
Ekkehart als Hauptmann der Leibwache hatte ihnen eine Eskorte aus jenen Männern zusammengestellt, die nicht am Reiterspiel teilnahmen und trotzdem als zuverlässige Kämpfer galten. Diese sorgten dafür, dass die Gruppe der Frauen unbehelligt durch das Gewimmel von Tausenden Schaulustigen zu der Tribüne gelangten, die für sie errichtet worden war.
Marthe ging an Elisabeths Seite dicht hinter Hedwig und hatte Mühe, nicht über den Saum ihres Kleides zu stolpern, so sehr war sie in Gedanken gefangen.
Nicht nur Hedwigs erschreckende Befürchtung und die unerwartete Begegnung mit Wulfhart beschäftigten sie. Während sich die Männer auf den Umritt vorbereiteten, hatte sie gesehen, dass neuerdings Rutger, Randolfs Sohn, Elmar als Knappe diente. Das war sicher kein Zufall – und ebenso wenig, dass ihre beiden Söhne nicht zum Hoffest hatten mitreisen dürfen. Thomas, inzwischen ebenso wie Rutger Knappe an Ottos Hof, und Daniel, der seit kurzem als Page dort erzogen wurde, waren auf Ekkeharts Anweisung damit für ihr schlechtes Betragen bestraft worden. Von Raimund, dessen Ältester nach wie vor Thomas’ engster Freund war, hatten sie erfahren, was geschehen war. Rutger hatte Daniel verprügelt, und Thomas war seinem jüngeren Bruder zu Hilfe geeilt. Ekkehart hatte ihren Söhnen die Schuld an der Schlägerei gegeben und Thomas zusätzlich mit einer öffentlichen Tracht Prügel bestraft. Stoisch hatte ihr Sohn diese über sich ergehen und sich nicht anmerken lassen, wie sehr ihn die ungerechte Behandlung aufbrachte. Er kannte die Geschichte der Feindschaft zwischen seinem Vater, Randolf und dessen Freunden und wusste, weshalb er von Ekkehart keine Gerechtigkeit und von Rutger nur Hinterhältigkeiten zu erwarten hatte.
Es schmerzte Marthe, dass ihre Söhne unter solchen Verhältnissen aufwuchsen. Doch sie mussten lernen, sich gegen alle Widrigkeiten zu behaupten, sonst würden sie nicht alt werden.
Sie erreichten die Tribüne gerade noch rechtzeitig, um den Beginn des farbenprächtigen Spektakels nicht zu verpassen.
Marthe, die neben Elisabeth stand, hielt den Atem an angesichts des Anblicks, der sich ihr bot: Tausende Ritter in Bliauts mit leuchtenden Farben unter dem Kettenpanzer, mit blitzenden Helmen, Schwertern und Lanzen. Metall glänzte in der Sonne, Hufe stampften, Rösser wieherten, und über alldem die Jubelschreie der Tausende Zuschauer, Rauch, Qualm und Staub.
Sie hielt Ausschau nach Ottos Reitern, die mit Lanzenwimpeln in den Meißner Farben ausgestattet worden waren, doch sie suchte vergeblich. Die Zahl der aufeinander zuhaltenden Ritter war einfach zu groß, um jemanden erkennen zu können.
Da, gleich würden die beiden Reitertrupps zusammenprallen! Doch im letzten Augenblick rissen die Männer ihre Lanzen hoch, und die Kavalkaden vermischten sich. Tosender Jubel erschallte über das Feld.
Selbst die Damen um Marthe herum konnten ihre Begeisterung nicht mehr hinter den üblichen kühlen oder gar hochnäsigen Mienen verbergen.
Diesmal war Marthe die Einzige, die beherrscht blieb. Sie atmete flach, weil sie insgeheim auf eine Nachricht wartete, die Hedwigs heimliche Befürchtung bestätigen könnte.
Einmal mehr wurde ihr
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