Die Entscheidung der Hebamme
ausgebrachten Segenssprüche für die Neuvermählten waren eher mitfühlend als überschwenglich. Und niemanden überraschte es, dass Lukas seine nunmehrige Frau, die zu Tode erschöpft, zerschunden und immer noch wie betäubt an seiner Seite saß, bald hinauf in das Brautgemach leitete.
Der Kaplan segnete das Brautbett, gleich danach zogen sich die Zeugen der Brautlegung zurück. Selbst die Hartgesottensten unter ihnen wollten angesichts der vorangegangenen Ereignisse Rücksicht bekunden.
Friedmar jedoch konnte es sich nicht versagen, Lukas leise noch einmal ausdrücklich daran zu erinnern, dass die Ehe vollzogen werden müsse.
Als der Letzte die Tür verschlossen hatte, setzte sich Marthe auf, zog sich fröstelnd die Decke hoch bis an den Hals und richtete ihren Blick auf den Mann, dem sie soeben anvermählt worden war.
Beklommen sah Lukas auf seine Braut.
Jahrelang hatte er sich diesen Moment in seinen Träumen ausgemalt – und jetzt war alles ganz anders. Dass Christian immer zwischen ihnen stehen würde, selbst nach seinem Tod, das war ihm immer klar gewesen. Doch sein Sterben war für sie beide noch zu allgegenwärtig.
Zu alldem waren an Marthes Handgelenken und in ihrem Gesicht die Spuren der Gewalt nicht zu übersehen, mit der Ekkehart sie sich zu Willen gezwungen hatte.
Wie konnte er sie so kurz danach in sein Bett ziehen?
Marthe schwieg und schien in Gedanken weit weg zu sein. Endlich blickte sie auf und wollte etwas sagen, doch Lukas legte ihr sanft einen Finger auf den Mund.
»Vielleicht sollten wir damit noch warten.«
Für einen Moment sah sie ihn an, dann senkte sie die Lider und sagte leise: »Also doch. Ich bin dir zuwider, weil es keinen Tag her ist, dass ein anderer mich genommen hat.«
Er griff nach ihren Händen und umklammerte sie.
»Du bist meine Liebe, so lange schon, das weißt du. Und jetzt …«
Er stockte. »Ich möchte jede Erinnerung daran in dir auslöschen. Gerade deshalb sollten wir vielleicht erst etwas Zeit verstreichen lassen.«
Wieder senkte sie den Blick. »Weil … wenn ich in neun Monaten ein Kind bekomme, werden wir nie wissen, wer der Vater ist.«
»Mach dir darüber keine Sorgen«, erklärte er mit gespielter Leichtigkeit. »Das ist ganz einfach. Hat es dunkle Haare, ist es von Christian; wird es blond, ist es von mir. Lieben werde ich es auf jeden Fall.«
Marthe lächelte ihn kläglich an, dankbar dafür, dass er die dritte Möglichkeit einfach ausgelassen hatte: dass das Kind von Ekkehart sein könnte. Lukas aber dachte längst weiter. Würde in Marthe ein Kind von Christian heranwachsen, wüsste sie es wohl schon. Er wollte die Angst in ihr auslöschen, Ekkehart könnte sie geschwängert haben.
Vielleicht war es deshalb besser, nicht zu warten. Falls sich in ein paar Wochen herausstellte, dass sie schwanger war, würde er das Kind ganz selbstverständlich als seines anerkennen. Vielleicht würde es ja wirklich ein Blondschopf wie seine beiden Söhne.
Aber dann sah er wieder den gequälten Ausdruck in ihrem müden Gesicht und sagte: »Schlaf jetzt!«
Zu seinem Erstaunen schüttelte sie den Kopf. »Ich habe gehört, was Friedmar gesagt hat.«
»Und ich werde jeden Meineid auf mich nehmen, wenn es nötig sein sollte.«
Erschrocken sah sie ihn an, dann senkte sie den Kopf, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Diese Schuld kann ich nicht auch noch tragen!«
»Wir werden es tun. Aber nicht jetzt und nicht hier«, erklärte Lukas entschlossen. Dann drückte er sie behutsam auf das Laken, legte die Decke sorgfältig über sie und blies die Kerze aus.
Während er ihrem Atem lauschte und bald erkannte, dass sie eingeschlafen war, verschränkte er die Arme unter dem Kopf, kämpfte sein Begehren nieder und grübelte darüber nach, wie er diese verzwickte Situation lösen konnte, ohne dass Marthe ihn dafür hassen würde.
Mit einem Angstschrei fuhr Marthe aus dem Schlaf. Lukas, sofort hellwach, hielt sich gerade noch zurück, beschwichtigend einen Arm um sie zu legen.
Durch die Fensterluken war zu sehen, dass der Morgen bereits graute.
Er entzündete eine Kerze und rief leise ihren Namen. Allmählich schien sie zu begreifen, wo sie war und was geschehen war.
Um nicht sehen zu müssen, ob sie ihn angstvoll, verächtlich oder gar hasserfüllt anstarrte, stand er auf, füllte ihr einen Becher Wein und gab ihn ihr zu trinken. Ohne ein Wort, aber mit einem angedeuteten matten Lächeln, setzte sie sich auf, nahm den Becher entgegen und
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