Die Entscheidung der Hebamme
bedeckte die Wunden mit Schafgarbe, damit sie besser heilten und sich nicht entzündeten.
Dabei ließ sie sich von Peter berichten, was geschehen war.
»Christian hat überhaupt nichts Unrechtes getan, versteht Ihr!«, brachte der einstige Dieb wütend hervor. »Der Graf wollte einfach jemanden verprügeln! Es hat nicht viel gefehlt, und er hätte ihn totgeschlagen.«
»Er will uns allen Angst machen. Zeigen, welche Macht er hat …«, meinte Marthe leise.
»Das zahl ich ihm heim«, sagte Peter zähneknirschend und stieß mit der Faust in die Luft. »Mir einen von meinen Leuten zuschanden zu machen!«
Jäh richtete sich Marthe auf. Und es machte ihr nichts aus, dass sie kaum größer als der Vierzehnjährige war.
»Auch wenn er einer von deiner Bande ist – du wirst nichts dergleichen tun, hörst du!«, fuhr sie ihn an. »Sonst lässt er es das ganze Dorf furchtbar büßen! Verstehst du mich? Es wird schon Ärger genug geben, wenn er wiederkommt und Christian nicht mehr hier in Fesseln hängt.«
Peter starrte sie nur trotzig an.
»Knie nieder!«, forderte sie den Burschen auf. Der sah sie verblüfft an, denn noch nie hatte Marthe so etwas von jemandem gefordert. Doch diesmal tat sie es, um zu erreichen, dass sich ihre nächsten Worte eindringlich genug einprägten.
»Er ist der Sohn des Fürsten und wird der nächste Herrscher der Mark Meißen, wenn sein Vater stirbt. Wir sind ihm alle auf Gedeih und Verderb ausgeliefert – nicht nur du und deine Freunde, sondern jedermann in diesem Dorf, mich und Ritter Christian eingeschlossen. Auf Leben und Tod! Hast du das verstanden? Dann schwöre!«
Sie sah dem Anführer der Jungenbande so lange unnachgiebig in die Augen, bis der schließlich den Blick senkte. Marthe ließ ihn schwören, von Racheaktionen Abstand zu nehmen, und schickte ihn los, noch ein oder zwei Jungen zu holen, damit sie Christian zu seiner Mutter Bertha bringen konnten, die als Haushälterin im Haus des Bergmeisters arbeitete. Bei Bergmeister Hermann würde der Geschundene wohl in Sicherheit sein.
Dann setzte sie sich auf einen Strohballen und wartete auf Albrechts Rückkehr. Seinen Zorn darüber, hier sein Opfer nicht mehr angebunden vorzufinden, musste sie allein auf sich nehmen. Jeden anderen würde er vermutlich dafür totschlagen.
Von dem Hügel aus bot sich Albrecht und Elmar ein atemberaubender Ausblick auf Christiansdorf.
»Seht es Euch nur an«, meinte er mürrisch zu Elmar. »Ein ganzes Dorf voller Silber, und ich komme nicht daran.«
»Das muss nicht so bleiben«, meinte der Ältere gelassen. »Ihr seid doch der Vogt. Wenn Ihr einen Gerichtstag haltet …«
Er musste den Satz gar nicht zu Ende sprechen, schon zog ein begeistertes Verstehen über Albrechts Gesicht. »Dann steht mir das Gewette zu!«
»Selbstverständlich. Allerdings …« Elmar zögerte.
»Was?!«
»… hat Christian erst kurz vor seinem Aufbruch einen Gerichtstag abgehalten.«
Ottos Sohn entfuhr ein wütender Ausruf.
»Keine Sorge, mit etwas Geduld werden wir schon ein paar Leute finden, die jemanden verklagen wollen oder die wir verklagen können«, beruhigte Elmar ihn.
»Dann erzählt endlich, was Ihr über das Pack hier wisst und wie wir sie zu greifen kriegen«, forderte Albrecht.
»Auf der Burg werdet Ihr kaum Verbündete finden – die halten alle treu zu Christian.«
Albrecht schnaubte verächtlich. »Es gibt immer irgendwo jemanden, der überläuft – und sei es heimlich. Wie sieht es bei den Dörflern aus?«
»Der Bauernschulze ist kein Problem, eine Krämerseele, der nur sein eigenes Vorankommen im Sinn hat. Er wird alles tun, um sich bei Euch anzubiedern«, berichtete Elmar. »Ein nützlicher Verbündeter wird Euch der Dorfpfarrer sein. Kein sehr heller Kopf und ein widerlicher Kerl. Seht Euch vor, wenn Ihr mit ihm redet – er ist einer von diesen verbohrten, gnadenlosen Pfaffen, selbstgerecht und frömmlerisch. Aber er wartet nur auf den Tag, Christians Weib eine Verfehlung nachzuweisen, um sie doch noch auf den Scheiterhaufen zu bringen.«
»Sehr nützlich, der Kerl. Wünschen wir ihm Erfolg dabei!«, meinte Albrecht grinsend. »Was ist mit den Bergleuten?«
»Sie bilden eine Gruppe für sich, haben sogar eine eigene Gerichtsbarkeit und unterstehen dem Bergmeister. Der heißt Hermann.«
»Ist der willfährig oder käuflich?«
»Wohl eher nicht. Er ist Euerm Vater verpflichtet, den Ihr nicht verärgern dürft. Für den Bergmeister steht zu viel auf dem Spiel, wenn man ihm
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