Die Entscheidung der Hebamme
Mehrere Stallknechte sind mit Euerm Vater in den Krieg gezogen. Und Ihr wünscht doch sicher, dass Euer wertvoller Schimmel die beste Pflege bekommt.«
»Ihr solltet langsam zusehen, dass Ihr dieses aufsässige Weibsbild loswerdet«, raunte Elmar Albrecht zu.
»Verschwindet mir aus den Augen!«, brüllte dieser Marthe an. »Ihr werdet Eure Kammer ohne meine Erlaubnis nicht mehr verlassen!«
Dann bedeutete er Elmar, ihm in die Halle zu folgen, wo sofort nach seinem Erscheinen das Mahl aufgetragen wurde.
Mitten in der Nacht schreckte Albrecht erneut aus dem Schlaf. Er hatte gedacht, diesmal auf die Giftmischereien von Christians Weib verzichten zu können, doch wieder hatten ihn die altbekannten fürchterlichen Träume heimgesucht: Wände, die sich in abscheuliche Fratzen verwandelten und auf ihn einstürmten, ein unheimliches Geheul und schließlich der Höllenfürst persönlich, der ihn von überall angrinste, wohin er auch blickte.
Die junge Hure neben ihm – sie hatte wirklich erstaunliche Fähigkeiten, aber die nutzten ihm jetzt wenig – schreckte hoch und starrte ihn schlaftrunken an.
»Verschwinde, sofort!«, fuhr er sie an. »Ich lasse dich rufen, wenn ich dich wieder brauche.«
Lisbeth entzündete eine Kerze und klaubte ihre Sachen zusammen.
Nicht einmal ihr nackter Körper im Kerzenschein konnte Albrecht jetzt reizen; im Gegenteil. Das Schattenspiel an der Wand, als sie sich das Kleid überwarf, wirkte auf ihn, als lauerten dort düstere Gestalten, um ihn in die Hölle zu zerren.
Seine Stirn war schweißbedeckt, er atmete flach.
»Starr mich nicht so an«, fuhr er die Wache an, die vor seiner Tür gewartet hatte und besorgt hereingestürzt kam. »Hol Christians Weib, sofort!«
Mit einem Talglicht in der Hand kam Marthe und wusste, was los war, auch ohne dass er etwas sagte.
»Wollt Ihr wieder einen Trank? Aber es dauert eine Weile, bis ich ihn zubereitet habe.«
Albrecht ließ Elmar rufen, damit er Marthe überwachte, dann musste eine Magd geweckt werden, die das Herdfeuer schürte. Das Durcheinander und Gerenne treppauf, treppab mitten in der Nacht riss die halbe Burgbesatzung aus dem Schlaf, von der ein beträchtlicher Teil auf dem Boden der Halle schlief.
Elmar verlangte, dass Marthe auch diesmal mehr als doppelt so viel von dem Trank zubereitete, wie sie für Albrecht benötigte.
Sie protestierte vor Ottos Sohn erneut dagegen, bis in den nächsten Tag hinein in tiefen Schlaf versetzt zu werden. »Ich kann mich sonst nicht um meine Pflichten kümmern, damit hier alles zu Eurer Zufriedenheit verläuft.«
Dafür, dass ich zufrieden bin, müsstest du in Ketten am Schandpfahl schmoren, Christians Kopf über dem Burgtor hängen und die Silberkammer mein sein, dachte Albrecht grimmig. Doch noch war der langersehnte Tag nicht gekommen, an dem er endlich das Erbe von seinem Vater übernehmen konnte. Noch musste er vor dem Alten kuschen und den treuergebenen Sohn spielen. Und um mit diesem tückischen Weibsbild fertig zu werden, würde er sich auch noch etwas einfallen lassen.
Andererseits – sein Vater und ebenso dieser Christian waren im Krieg, da gab es üblicherweise Tote zuhauf. Wer weiß, vielleicht kam schon morgen ein Bote mit der Nachricht, dass sein Vater gefallen und er der neue Markgraf war! Dann konnte er auch mit Christian und dessen Weib ganz anders umspringen. Sofern Christian überhaupt noch lebte.
Aber noch musste er vorsichtig sein, was die Hexe betraf, damit sie ihn nicht am Ende doch vergiftete oder – was vielleicht sogar schlimmer war – verfluchte.
»Diesmal machen wir es anders«, erklärte er, als sie ihm die Medizin reichte. »Wir tauschen die Becher. Wenn Ihr mich vergiften wollt, Weib, werdet Ihr Euch selbst den Tod einflößen.«
»Ich will Euch nicht vergiften, sonst hätte ich es längst getan«, entgegnete sie heftiger, als gut für sie sein konnte. »Und ich habe den ganzen Tag zu tun, damit Eure Leute ordentlich verpflegt sind und Euer Hauptmann seinen Schwertarm wieder bewegen kann.«
»Keine Widerrede!«, herrschte Albrecht sie an und gab Elmar ein Zeichen, der herantrat und sie mit vorgehaltenem Dolch zwang, Albrechts Becher auszutrinken.
Vorerst herrschte von nun an so etwas wie Waffenstillstand auf der Burg.
Lisbeth mit ihren unerschöpflichen Einfällen im Liebesspiel und Marthe mit ihren Tränken sorgten dafür, dass Albrecht nachts schlafen konnte, was seine Laune tagsüber besserte, auch wenn jeder, der es vermochte, lieber einen
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