Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)
musste. Heute ist mir, als würde ich völlig unverhofft auf lange verschollene Weggefährten treffen, die ich schon für verloren gehalten hatte.« Er nickte vor sich hin. »Jetzt erst wird mir bewusst, wie viel Mühe aufgewandt wurde, um mich für eine Sache zu begeistern, der ich stets mit Misstrauen gegenübergestanden hatte. Nicht weil ich sie nicht schätze, sondern weil ich ihren Gegner kenne. Frieden und Krieg. Darum geht es. Wie immer. Ersterer so etwas wie ein Wunschtraum schwächlicher, gefühlsduseliger Seelchen. Letzterer der große unbezwingbare Herr von Nord bis Süd, von West bis Ost. So ist das seit über zwei Jahrzehnten. Und ich bin leider nach wie vor im Zweifel darüber, warum der Frieden plötzlich eine Chance haben sollte.«
»Wenn ich mir erlauben darf«, bemerkte Mentiri, »noch einmal das Wort an all die hier versammelten Herren zu richten. Der Frieden hat dann eine Chance, wenn die richtigen Männer ihn vorantreiben. Es mag eine Illusion sein, ihn im Nu erreichen zu wollen, wissen wir doch alle, dass unsere Welt ein großes Schlachtfeld ist, auf dem viel zu lange Blut und Hass und Argwohn gesät wurden.« Er unterdrückte einen Hustenanfall, räusperte sich und wischte sich flüchtig mit einem Spitzentuch über die Lippen. »Der Frieden kann durchaus die Oberhand gewinnen. Nicht heute, nicht morgen, jedoch Stück für Stück, Wort für Wort. Entscheidend ist es, endlich einen Anfang zu finden, einen ersten Schritt zu gehen. Wie gesagt, es liegt an den Männern, die beschließen, für den Frieden einzutreten. Auf sie kommt es an. Auf ihre Entschlossenheit, auf ihr Durchhaltevermögen.«
»Jetzt, überwältigt von diesen Werken«, meinte darauf Maximilian, »die beinahe wie Göttergaben über mich, über uns alle kamen, bin ich geneigt, unsere Verhandlungen und Gespräche mit weniger Zurückhaltung als bisher fortzusetzen – ohne allerdings Versprechungen oder Zugeständnisse machen zu können. Lasst uns sehen, was der heutige und der morgige Tag bringen werden. Natürlich vorausgesetzt, alle sind einverstanden mit einer Verlängerung der Konferenz.«
Beifälliges Gemurmel erhob sich.
Zufrieden nickte der Kurfürst. »Herr Mentiri sprach von einem ersten Schritt. Vielleicht ist es uns möglich, diesen ersten kleinen Schritt zu bewältigen, aus dem viele werden müssen, um diese eine große Sache, die in unerreichbarer Ferne schien, eines Tages in die Tat umzusetzen. Möchte sonst noch jemand das Wort erheben?«
Bernina hatte die Momente der Ansprache genutzt, um sich unauffällig an Mentiris Seite zu begeben. Leise flüsterte sie ihm etwas zu, worauf er sich erneut an alle wandte: »Auch wenn es den Moment ein wenig zerstören könnte, fürchte ich, diese geschätzte Dame hat nicht ganz unrecht. Schon bei meinem Eintreffen in St. Peter habe ich die Herren gewarnt, die mich unterstützten, diese einzigartige Werkssammlung zusammenzustellen. Jetzt hat mich Bernina daran erinnert, die gesamte Runde auf Gefahren aufmerksam zu machen. Ich war wohl zu ergriffen von diesem bedeutsamen Augenblick, dass ich das Dringliche vergaß.« Er hielt inne. »Bernina, sprechen Sie doch persönlich mit den Herren. Ich bin überzeugt, sie alle werden Ihnen ebenso gerne zuhören, wie ich das tue.«
Sie war überrascht, aber es gelang ihr schnell, sich zu sammeln. »Der Weg hierher war sehr gefährlich. Wir wurden heimtückisch angegriffen. Eine junge Frau hat dabei ihr Leben verloren. So wichtig diese Konferenz auch sein mag – weiteres Unheil könnte uns drohen.«
Mit gefälligem Blick betrachtete der Kurfürst Bernina. »Das ist mir durchaus bewusst. Gerade deshalb habe ich Wachen ausgesandt, die rund um das Kloster patrouillieren. Eine davon nahm Ihre Gruppe in Empfang, um es einmal so zu umschreiben. Ihre Worte nehme ich dennoch sehr ernst, junge Dame. Ich werde dafür sorgen, dass meine Leute ihre Bemühungen verstärken.«
»Ich bin ebenfalls der Meinung«, warf abermals Mentiri ein, »dass das von allergrößter Wichtigkeit ist. Böse Kräfte sind am Werk. Der Krieg konnte seit jeher auf starke Mitstreiter vertrauen. Man weiß offensichtlich, wohin diese Bücher unterwegs waren – und was an ihrem Zielort, also hier in St. Peter, vor sich geht. Wir sind in höchster Gefahr.«
Der Kurfürst trat von den Bücherkisten hin zu den versammelten Männern. »Dann sollten wir keine Zeit verlieren und unsere Gespräche wieder aufnehmen. Übrigens bin ich äußerst dankbar für diese Unterbrechung, wie
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