Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)
aufraffen können, die Münzen zurück in den Geldgürtel zu stecken. Deswegen war er nun in Verzug. Die Verabredung stand an, er wurde schneller, die Krücke hüpfte über das Kopfsteinpflaster.
Diese Verabredung würde ihm noch mehr Geld einbringen. So viel Geld, so verdammt viel. Endlich könnte er von hier verschwinden, irgendwo an einer anderen Ecke des Reiches auftauchen, um ein neues Leben zu beginnen, ein besseres.
Er durfte nicht noch mehr Zeit verlieren, die Ereignisse jenes verrückten Tages hatten alles ins Wanken gebracht, aber nun folgte er wieder dem Weg, der ihn wegführen sollte aus diesem Einerlei, aus diesem Kampf, den er seit dem Tag seiner Geburt gegen das Leben führte.
Erst von Mollenhauer um dessen Barschaft erleichtern – und ihn daraufhin ans Messer zu liefern. Für noch mehr Geld. Es war denkbar einfach. Ein Kinderspiel. Endlich einmal. Sein Lebensweg war schließlich schwer genug gewesen. Dieses Mal sah alles völlig anders aus. Lorentz Fronwieser war entschlossen. Entschlossener denn je. Er roch das Geld, das auf ihn wartete. Nie wieder würde er mit falschen Würfeln spielen, nie wieder würde er betteln, nie wieder würde er stehlen und ganz gewiss würde er nie wieder Latrinen säubern.
Sein Schädel brummte von dem Schlag mit der Krücke, er achtete jedoch nicht darauf, fühlte allein die Anspannung, die sich in ihm ausbreitete. Genug in Hoffnungen geschwelgt, ermahnte er sich stumm. Jetzt hieß es, aufzupassen und einen kühlen Kopf zu bewahren.
Er näherte sich dem verabredeten Ort und verspürte einmal mehr dumpfen Hass auf sich wegen des verkrüppelten Beines und der Krücke. Gesunde Männer vermochten sich lautlos zu solchen Treffen zu begeben – Lorentz hingegen kündigte sich unfreiwillig durch das Poltern des Holzes an. Mit größter Konzentration schob er sich an einer Hausmauer vorbei, auf den Stall zu, den er selbst als Treffpunkt vorgeschlagen hatte. Eigentlich hatte er vorgehabt, zeitiger hier zu sein, deutlich früher als abgemacht. Das wäre ihm lieber gewesen, er wollte die Dinge auf sich zukommen sehen, aber die Umstände hatten alles durcheinandergewirbelt.
Behutsamer als zuvor setzte er die Krücke auf, doch es war ihm nicht möglich, völlig geräuschlos vorwärts zu gelangen.
Der Stall war im Verfall begriffen und wurde kaum noch genutzt, höchstens von herumstreunendem Gesindel als Nachtquartier, und das nur selten. Halb eingefallen das Dach, die Wände der Vieh-Stellplätze niedergerissen, ein dunkles, zumeist von der Bevölkerung übersehenes Gebäude, in dem es nach Mäusedreck muffelte. Lorentz Fronwieser spähte durch eine der beiden von Spinnweben überzogenen Fensteröffnungen, doch außer tintenschwarzer Dunkelheit war nichts auszumachen. Er glitt durch den einzigen Zugang, ein schief in den Angeln hängendes Tor, ins Innere und hielt unbewusst den Atem an.
Niemand hier, schloss er. Hatte er die beiden verpasst? Der Gedanke war noch nicht einmal zu Ende gedacht, als in der hinteren Ecke ein Licht entflammte, urplötzlich, wie von Geisterhand.
Zwei Schemen nahmen rechts und links eines einfachen Talglichts langsam Gestalt an. Männer in langen Mänteln, mit breitkrempigen Söldnerhüten.
»Wir dachten schon«, sagte der eine von ihnen, »du hättest unsere Abmachung vergessen.« Weder ironisch noch freundlich oder bedrohlich klang diese Stimme, eher nüchtern, sodass der Tonfall keine Rückschlüsse zuließ.
Lorentz Fronwieser grinste, versuchte sich zu sammeln. »Ich habe gesagt, dass ich komme. Und auf mein Wort kann man sich verlassen.«
Eine schnelle Bewegung eines der beiden Fremden, Lorentz zuckte zusammen, aber sogleich war er beruhigter: Der Mann wedelte mit einem Beutel, in dem Geldstücke klimperten. »Mit unserem Wort ist es nicht anders.«
Fronwiesers Blick fiel nach unten auf die Stulpenstiefel – sie waren mit Stofflappen umwickelt, damit die Geräusche der Schritte gedämpft wurden. Vorsichtige Burschen waren das, verdammt vorsichtige Burschen. Umso mehr war seinerseits Vorsicht geboten.
»Wo finden wir also denjenigen«, ergriff wieder der Mann mit dem Lederbeutel das Wort, »den wir suchen? Denjenigen, den du uns versprochen hast?«
Wussten sie längst, dass er sie die ganze Zeit über hingehalten, dass er den Preis hochgetrieben und gleichzeitig mit von Mollenhauer verhandelt hatte? Es pochte gewaltig hinter Fronwiesers Stirn.
»Erst das Geld«, wagte er sich schließlich nach vorn.
Mit einer lässigen Bewegung wurde
Weitere Kostenlose Bücher