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Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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auf verrückte Weise sogar bedrohlicher wirkte als das gewaltige Dröhnen der Kanonen. Sie alle hielten die Lippen geschlossen, starre Gesichter, maskenhaft, erhellt von einem verlorenen kleinen Licht.
    Es war eine schier endlose Nacht, nachdem der Krieg zurückgekommen war, jenes grollende Ungeheuer, wie Gotthold von Mollenhauer ihn genannt hatte. Der Geruch von Büchern, von abgestandener Luft. In dem Gewölbe herrschte eine Anspannung, die beinahe mit den Händen zu greifen war. Bernina beobachtete Alwine und Konrad, die ihrerseits sie, Baldus und natürlich von Mollenhauer nicht aus den Augen ließen.
    »Es war unnötig, sich hier zu verkriechen«, brach irgendwann der massige Konrad mit knurrigem Flüstern das Schweigen. »Keine Menschenseele ist in dem Haus über uns.«
    »Ich sah jemanden«, trotzte ihm Alwine ebenso leise. »Zwei schwarz gekleidete Gestalten, die durch die Nacht schlichen.«
    »Vielleicht Soldaten, die desertiert sind und einen Unterschlupf suchen.« Anfänglich hatte Konrad träge gewirkt, die Situation schien ihn jedoch aufmerksam und konzentriert zu machen. Etwas Kaltes, Gefährliches ging von ihm aus, wie er da auf einem der Hocker thronte, Pistole in der Hand, die Mündung in Richtung der drei Gefangenen, denen sie befohlen hatten, sich auf den von Sand bedeckten Boden zu setzen.
    »Nein, Konrad, ganz sicher nicht«, widersprach Alwine ihm noch einmal entschieden. »Ich hatte das deutliche Gefühl, dass dieses Haus ihr Ziel war.«
    »Es ist doch so, dass … «, setzte er an – aber ein jäher Laut ließ ihn verstummen.
    Es klang wie das Knirschen oder Bersten von Holz. Gleich darauf hörten sie einen lauten Knall.
    »Jemand verschafft sich Zutritt.« Von Mollenhauer sagte das, alles andere als laut, und dennoch standen die vier Worte schwer und fest in dem unterirdischen Raum.
    Schritte, direkt über ihren Köpfen.
    Von mindestens zwei Eindringlingen.
    Wiederum Atem anhalten, horchen, keine Regung mehr in dem Gewölbe.
    Schritte in diesem, dann in jenem Raum. Schritte auf der Treppe. Türen quietschten in den Angeln, genau wie zuvor, als Alwine das Haus nach Wertgegenständen durchsucht hatte.
    »Wer sind die beiden?« Angst und eine gewisse Entschlossenheit schwangen in ihrer Stimme mit.
    »Ach, das sind lediglich die Jagdhunde des Teufels.« Von Mollenhauer bemühte sich um einen hochtrabenden Tonfall und ein abfälliges Lächeln, doch das misslang ihm; den Rücken an ein Regal mitsamt seinen geliebten Büchern gelehnt, sah er alt und schwach aus.
    »Soll ich nach oben gehen und mir die beiden Vögel vorknöpfen?«, bot Konrad sich an.
    Alwine biss sich auf die Unterlippe, schien angestrengt zu überlegen.
    »Du müsstest die drei in Schach halten, während ich   …«
    »Nein«, unterbrach Alwine ihn schließlich. »Wir haben nur deine Pistole und … « Sie schluckte. »Wenn das wirklich die Männer sind, die … « Erneut vollendete sie den Satz nicht. »Wäre doch Lorentz nur hier. Ich kann bloß hoffen, dass ihm nichts zugestoßen ist, dass er sich nicht mit diesen Männern dort oben getroffen hat. Das würde bedeuten … « Endgültig brach ihre Stimme.
    Abermals Geräusche über ihren Köpfen. Stühle wurden gerückt, Schubladen aufgerissen. Offensichtlich machten sich die Fremden in der Küche zu schaffen.
    »Die haben Kohldampf«, schloss Konrad.
    Stimmen erklangen, männliche Stimmen, die sich ein paar Silben zuwarfen. Leises Klirren von Glas oder Emaille. Plötzlich verstummten die Geräusche. Kein Wort von da oben, nichts.
    Bernina fühlte das Messer in ihrer Hand, unauffällig, mit äußerster Behutsamkeit, hatte sie es hervorgeholt. Sie wechselte blitzschnell einen Blick mit Baldus. Er verstand, was sie meinte: Es wurde Zeit, ein Risiko einzugehen. Doch in den Augen des Gnoms schimmerte eine Warnung auf. Zu gefährlich, schien er sagen zu wollen.
    Zumal sich Konrad weiterhin äußerst wachsam zeigte.
    Und die Zeit stand still.
    Über ihnen tat sich nichts mehr. Der neue Tag brach an, die endlos scheinende Nacht fand doch ein Ende. Was mochten die nächsten Stunden bringen?
    Einmal mehr war es Konrads tiefe Stimme, die das Schweigen zerschnitt: »Die Kerle haben sich davongemacht. Sie haben gewartet – und nun sind sie verschwunden. Ich werde nachsehen.«
    Alwine sprang von ihrem Hocker auf. »Nein, ich werde gehen. Mir ist es lieber, wenn du weiter Wache hältst.« Sie glitt an einem der Bücherregale vorbei in den Gang. »Außerdem ist tatsächlich alles

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