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Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein

Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein

Titel: Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Darwin
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die Aestivation fast ebenso häufig die der Rhinantideen als die der Antirhinideen ist, zu welch’ letzterer Gruppe die Gattung gehört. Aug. St. Hilaire führt die folgenden Fälle an: die Gattung Zanthoxylon gehört zu einer Abteilung der Rutaceen mit einem einzigen Ovarium; aber in einigen Arten kann man Blüten an einer und derselben Pflanze finden, ja selbst in derselben Rispe, mit entweder einem oder zwei Ovarien. Bei Helianthemum ist die Kapsel als ein- oder dreifächrig beschrieben worden, und bei H. mutabile »une lame, plus ou moins large s’étend entre le péricarpe et le placenta«. Auch bei den Blüten von Saponaria officinalis beobachtete Dr. Masters Beispiele sowohl von marginaler als von freier zentraler Placentation. Endlich fand St. Hilaire nach der südlichen Verbreitungsgrenze der Gomphia oleaeformis zu zwei Formen, von denen er anfangs nicht zweifelte, dass es distincte Arten seien, welche er aber später auf demselben Busch wachsen sah, und fügt hinzu: »Voilà donc dans un même individu des loges et un style qui se rattachent tantôt à un axe verticale et tantôt à un gynobase.«
    Wir sehen hieraus, dass bei Pflanzen viele morphologische Veränderungen den Gesetzen des Wachstums und der gegenseitigen Einwirkung der Teile, unabhängig von natürlicher Zuchtwahl, zugeschrieben werden können. Kann man aber, mit Bezug auf Nägeli’s Lehre von einer angeborenen Neigung zur Vervollkommnung oder zur progressiven Entwicklung, bei diesen scharf ausgesprochenen Abänderungen sagen, dass sie gerade im Akte des Fortschreitens nach einer höheren Stufe der Entwicklung entdeckt worden sind? Ich würde im Gegenteile aus der blossen Tatsache, dass die in Frage stehenden Teile an einer und derselben Pflanze bedeutend verschieden sind oder variieren, folgern, dass solche Modifikationen von äußerst geringer Bedeutung für die Pflanzen selbst sind, von welcher Bedeutung sie auch uns bei unserer Klassification sein mögen. Von dem Erlangen eines nutzlosen Teiles kann man kaum sagen, dass es einen Organismus in der natürlichen Stufenleiter erhöhe; und was die oben beschriebenen unvollkommenen geschlossenen Blüten betrifft, so müsste hier, wenn irgend ein neues Prinzip zu Hilfe genommen werden sollte, das eines Rückschrittes vielmehr eintreten, als eines Fortschrittes; dasselbe müsste man auch bei vielen parasitischen und degradirten Tieren sagen. Wir sind in Betreff der erregenden Ursache der oben speziell angegebenen Modifikationen völlig unwissend; würde aber die unbekannte Ursache gleichförmig eine Zeit lang einwirken, dann könnten wir auch schließen, dass das Resultat beinahe gleichförmig sein würde; und in diesem Falle würden alle Individuen der Spezies in der nämlichen Weise modifiziert werden.
    Nach der Tatsache, dass die obigen Charaktere für das Wohlbefinden der Spezies bedeutungslos sind, würden irgend welche unbedeutenden Abänderungen, welche an ihnen vorkämen, nicht durch natürliche Zuchtwahl gehäuft oder vergrößert worden sein. Eine Bildung, welche durch lang andauernde Zuchtwahl entwickelt worden ist, wird, wenn sie aufhört, der Art von Nutzen zu sein, allgemein variabel, wie wir es bei den rudimentären Organen sehen; denn sie wird nun nicht mehr durch dieselbe Kraft der Zuchtwahl regulirt werden. Sind aber durch die Natur des Organismus und der Bedingungen Modifikationen hervorgebracht worden, welche für die Wohlfahrt der Spezies ohne Bedeutung sind, so können sie in nahezu demselben Zustande zahlreichen, im übrigen modifizierten Nachkommen überliefert werden und sind auch dem Anscheine nach häufig überliefert worden. Es kann für die größere Zahl der Säugetiere, Vögel oder Reptilien von keiner großen Bedeutung gewesen sein, ob sie mit Haaren, Federn oder Schuppen bekleidet waren; und doch sind beinahe allen Säugetieren Haare, allen Vögeln Federn, und allen echten Reptilien Schuppen überliefert worden. Eine Bildung, welche vielen verwandten Formen gemeinsam ist, wird von uns als von hoher systematischer Bedeutung angesehen und wird demzufolge auch oft als von hoher vitaler Wichtigkeit für die Art angenommen. So bin ich zu glauben geneigt, dass morphologische Differenzen, welche wir als bedeutungsvoll betrachten, wie die Anordnung der Blätter, die Abteilungen der Blüte oder des Ovarium, die Stellung der Eichen u. s. w., zuerst in vielen Fällen als fluctuirende Abänderungen erschienen sind, welche früher oder später durch die Natur des Organismus

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