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Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein

Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein

Titel: Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Darwin
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und der umgebenden Bedingungen, ebenso wie durch die Kreuzung verschiedener Individuen, aber nicht durch die natürliche Zuchtwahl konstant geworden sind; denn da diese morphologischen Charaktere die Wohlfahrt der Art nicht berühren, so können auch unbedeutende Abänderungen an ihnen nicht von natürlicher Zuchtwahl beeinflusst oder gehäuft worden sein. Es ist ein merkwürdiges Resultat, zu dem wir hiermit gelangen, dass nämlich Charaktere von geringer vitaler Bedeutung für die Art dem Systematiker die wichtigsten sind. Wie wir aber später bei Behandlung des genetischen Prinzips der Klassification sehen werden, ist dies durchaus nicht so paradox als es zuerst erscheint.
    Obgleich wir keine sichern Beweise für die Existenz einer eingebornen Neigung zur progressiven Entwicklung bei organischen Wesen haben, so folgt diese doch, wie ich im vierten Kapitel zu zeigen versucht habe, notwendig der beständigen Tätigkeit der natürlichen Zuchtwahl. Denn die beste Definition, welche jemals von einem hohen Maßstabe der Organisation gegeben worden ist, ist die, dass dies der Grad sei, bis zu welchem Teile spezialisiert oder verschiedenartig geworden sind. Und die natürliche Zuchtwahl strebt diesem Ziele zu, insofern hierdurch die Teile in den Stand gesetzt werden, ihre Funktion wirksamer zu verrichten.
    Ein ausgezeichneter Zoolog, Mr. St. George Mivart, hat vor Kurzem alle die Einwände gegen die Theorie der natürlichen Zuchtwahl, wie sie von Wallace und mir aufgestellt worden ist, welche sowohl von mir selbst als von anderen erhoben worden sind, zusammengestellt und sie mit viel Geschick und Nachdruck erläutert. In dieser Art vorgeführt bilden sie eine furchteinflößende Heeresmacht; und da es nicht in Mr. Mivart’s Plan lag, die verschiedenen, seinen Schlussfolgerungen entgegenstehenden Tatsachen und Betrachtungen aufzuführen, so wird dem Leser, welcher die für beide Seiten der Frage vorzubringenden Beweise etwa zu erwägen wünscht, keine kleine Anstrengung des Verstandes und Gedächtnisses zugemutet. Bei der Erörterung spezieller Fälle übergeht Mr. Mivart die Wirkungen des vermehrten Gebrauchs und Nichtgebrauchs an Teilen, von welchen ich immer behauptet habe, dass sie sehr bedeutungsvoll seien und welche ich in meinem Buche über »das Variieren im Zustande der Domestikation« in größerer Ausführlichkeit behandelt habe, als wie ich glaube irgend ein anderer Schriftsteller. Er nimmt auch häufig an, dass ich der Abänderung unabhängig von natürlicher Zuchtwahl nichts zuschreibe, während ich in dem oben angezogenen Werke eine größere Zahl von sicher begründeten Tatsachen zusammengestellt habe, als in irgend einem andern mir bekannten Werke zu finden ist. Mein Urteil mag vielleicht nicht zuverlässig sein; aber nachdem ich Mr. Mivart’s Buch sorgfältig durchgelesen und jeden Abschnitt mit dem verglichen hatte, was ich über denselben Gegenstand gesagt habe, fühlte ich mich von der allgemeinen Gültigkeit der Schlussfolgerungen, zu denen ich hier gelangt bin, so sehr überzeugt, wie noch nie zuvor, wenn dieselben auch natürlicherweise bei einem so verwickelten Gegenstande vielem partiellen Irrtume ausgesetzt sind.
    Alle Einwände Mr. Mivart’s werden in dem vorliegenden Bande betrachtet werden oder sind bereits in Betracht gezogen worden. Der eine neue Satz, welcher viele Leser frappirt zu haben scheint, ist, dass natürliche Zuchtwahl ungenügend ist, die Anfangsstufen nützlicher Struktureinrichtungen zu erklären. Dieser Gegenstand steht in innigem Zusammenhang mit der Abstufung der Charaktere, welche oft von einer Änderung der Funktion begleitet wird, – z. B. die Umwandlung einer Schwimmblase in Lungen –, Punkte, welche in dem letzten Kapitel von zwei Gesichtspunkten aus erörtert wurden. Nichtsdestoweniger will ich hier einige von Mr. Mivart vorgebrachte Fälle in ziemlicher Ausführlichkeit betrachten und dabei die illustrativsten auswählen, da mich der Mangel an Raum abhält, sie alle durchzugehen.
    Der ganze Körperbau der Giraffe ist durch ihre hohe Statur, ihren sehr verlängerten Hals, Vorderbeine, Kopf und Zunge wundervoll für das Abweiden hoher Baumzweige angepasst. Sie kann dadurch Nahrung erlangen jenseits der Höhe, bis zu welcher die anderen Ungulaten oder Huftiere, die dieselbe Gegend bewohnen, hinauf reichen können; und dies wird während der Zeiten der Hungersnöte für sie ein großer Vorteil sein. Das Niata-Rind in Süd-Amerika zeigt uns, welche geringe

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