Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein
gewissen Größe und Bildung und die andere in beiderlei Hinsicht verschieden ist; beide sind aus einer anfänglichen Stufenreihe wie bei Anomma hervorgegangen, wovon aber die zwei äußersten Formen in Folge des Überlebens der sie erzeugenden Eltern immer zahlreicher überwiegend werden, bis kein Individuum der mittleren Form mehr erzeugt wurde.
Eine analoge Erklärung des gleich komplexen Falles, dass gewisse malayische Schmetterlinge regelmäßig zu derselben Zeit in zwei oder selbst drei verschiedenen weiblichen Formen erscheinen, hat Wallace gegeben, ebenso Fritz Müller von verschiedenen brasilischen Krustern, die gleichfalls unter zwei weit verschiedenen männlichen Formen auftraten. Der Gegenstand braucht aber hier nicht erörtert zu werden.
So ist nach meiner Meinung die wunderbare Erscheinung von zwei streng begrenzten Kasten unfruchtbarer Arbeiter in einerlei Nest zu erklären, welche beide weit von einander und von ihren Eltern verschieden sind. Wir können einsehen, wie nützlich ihr Auftreten für eine sociale Ameisengemeinde gewesen ist, nach demselben Prinzipe, nach welchen die Teilung der Arbeit für die civilisierten Menschen nützlich ist. Die Ameisen arbeiten jedoch mit ererbten Instinkten und mit ererbten Organen und Werkzeugen, während der Mensch mit erworbenen Kenntnissen und fabricirtem Geräthe arbeitet. Aber ich muss bekennen, dass ich bei allem Vertrauen in die natürliche Zuchtwahl doch nie erwartet haben würde, dass dieses Prinzip sich in so hohem Grade wirksam erweisen könne, hätte mich nicht der Fall von diesen geschlechtslosen Insekten von der Tatsache überzeugt. Ich habe deshalb auch diesen Gegenstand mit etwas größerer, obwohl noch ganz ungenügender Ausführlichkeit abgehandelt, um daran die Macht natürlicher Zuchtwahl zu zeigen und weil er in der Tat die ernsteste spezielle Schwierigkeit für meine Theorie darbietet. Auch ist der Fall darum sehr interessant, weil er zeigt, dass sowohl bei Tieren als bei Pflanzen jeder Betrag von Abänderung in der Struktur durch Häufung vieler kleinen und anscheinend zufälligen Abweichungen von irgend welcher Nützlichkeit, ohne alle Unterstützung durch Übung und Gewohnheit, bewirkt werden kann. Denn eigentümliche, auf die Arbeiter und unfruchtbaren Weibchen beschränkte Gewohnheiten vermöchten doch, wie lange sie auch bestanden haben möchten, die Männchen und fruchtbaren Weibchen, welche allein die Nachkommenschaft liefern, nicht zu beeinflussen. Ich bin erstaunt, dass noch Niemand den lehrreichen Fall der geschlechtslosen Insekten der wohlbekannten Lehre Lamarck’s von den ererbten Gewohnheiten entgegengesetzt hat.
Zusammenfassung
Ich habe in diesem Kapitel kurz zu zeigen versucht, dass die Geistesfähigkeiten unserer domestizierten Tiere abändern, und dass diese Abänderungen vererblich sind. Und in noch kürzerer Weise habe ich darzutun gestrebt, dass Instinkte im Naturzustande etwas abändern. Niemand wird bestreiten, dass Instinkte von der höchsten Wichtigkeit für jedes Tier sind. Ich sehe daher keine Schwierigkeit, warum unter sich verändernden Lebensbedingungen natürliche Zuchtwahl nicht auch im Stande gewesen sein sollte, kleine Abänderungen des Instinktes in einer nützlichen Richtung bis zu jedem Betrage zu häufen. In vielen Fällen haben Gewohnheit oder Gebrauch und Nichtgebrauch wahrscheinlich mitgewirkt. Ich behaupte nicht, dass die in diesem Abschnitte mitgeteilten Tatsachen meine Theorie in einem irgend bedeutenden Grade stützen; doch ist nach meiner besten Überzeugung auch keine dieser Schwierigkeiten im Stande sie umzustoßen. Auf der andern Seite aber eignen sich die Tatsachen, dass Instinkte nicht immer absolut vollkommen und selbst Irrungen unterworfen sind, – dass kein Instinkt aufgeführt werden kann, welcher zum ausschließlichen Vorteil eines andern Tieres entwickelt ist, wenn auch Tiere von Instinkten anderer Nutzen ziehen, – dass der naturhistorische Glaubenssatz »Natura non facit saltum« ebensowohl auf Instinkte als auf körperliche Bildung anwendbar und aus den vorgetragenen Ansichten eben so erklärlich als auf andere Weise unerklärbar ist: alle diese Tatsachen führen dahin, die Theorie der natürlichen Zuchtwahl zu befestigen.
Diese Theorie wird noch durch einige andere Erscheinungen hinsichtlich der Instinkte bestärkt; so durch die alltägliche Beobachtung, dass einander nahe verwandte, aber sicherlich verschiedene Spezies, wenn sie entfernte Weltteile bewohnen und unter
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