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Die Erben

Die Erben

Titel: Die Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Golding
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sogleich dorthin zu eilen, als könnte damit seiner Wehsal abgeholfen werden. Auch lag die Abhilfe nicht lediglich in Liku und dem Jungen beschlossen. Die neuen Gefährten mit ihren vielen Bildern waren wie das Wasser, das auch zugleich Schrecken erregt und zum Näherkommen einlädt. Er war sich dunkel dieser namenlosen Anziehungskraft bewußt, die ihn verwirrte. Unten an einer zerbrochenen Wurzel über wildem, tiefem Wasser hängend, fand er wieder zu sich zurück. Die Wurzeln schaukelten mit ihm hin und her, daß ihm das Fleisch gegen die Brust klatschte. Er mußte erst seitwärts auf das Gewirr von Wurzeln und Efeu zuspringen, ehe er Fa wieder folgen konnte.
    Sie kletterte über die Felsen voran und in den Wald der Insel hinein. Hier gab es kaum etwas, das einem Pfad vergleichbar war. Die Neuen hatten ihre Witterung an den Büschen zurückgelassen, nichts sonst wies ihnen den Weg. Fa folgte der Geruchspur ohne Überlegung. Sie wußte, daß das Feuer nur am anderen Ende der Insel sein konnte, aber um zu sagen, warum das so war, hätte sie stehen bleiben, die Hände auf den Kopf drücken und mit Bildern ringen müssen. Viele Vögel nisteten auf der Insel und gaben erregt ihrem Unwillen Laut, so daß sie sich nur mit großer Vorsicht weiterbewegten. Sie achteten nicht mehr unmittelbar auf die neue Witterung, sondern trachteten, so leise und unbemerkt wie möglich den Wald zu durchqueren. Ihrer Vorstellung drängten sich die gleichen Bilder auf. In dem fast völligen Dunkel des Dickichts sahen sie mit Nachtaugen; sie umgingen, was nicht sichtbar war, hoben rankendes Efeu zur Seite, entknoteten Gestrüppschlingen und glitten lautlos darunter hindurch. Bald konnten sie die Neuen hören. Sie sahen auch das Feuer oder vielmehr den Widerschein des Feuers und ein Geflacker. Die Flammenhelle tauchte alles Übrige auf der Insel in undurchdringliches Dunkel und blendete ihre Nachtaugen, so daß sie langsamer gingen. Das Feuer war viel größer als zuvor, und die lichte Helle umrahmte ein Kranz jungen Laubs, das blaßgrün leuchtete, als schiene Sonnenlicht hindurch. Die Neuen machten einen rhythmischen Lärm gleich dem Schlag des Herzens. Fa richtete sich vor Lok zu nachtschwarzer Gestalt auf.
    Die Bäume waren groß an diesem Ende der Insel, und die Büsche in der Mitte standen aufgelockert, so daß man sich dazwischen bewegen konnte. Lok folgte Fa, bis sie mit zur Flucht gebeugten Knien und gespannten Zehen hinter einem der Büsche unmittelbar am Rande des Feuerscheins standen. Über die Blätter hinweg konnten sie gerade auf die freie Fläche blicken, die die Neuen sich ausgesucht hatten. Es gab zuviel auf einmal zu sehen. Zunächst hatten sich die Bäume wieder neu geordnet. Sie hatten sich niedergehockt und ihre Zweige so eng miteinander verflochten, daß sie Höhlen aus Dunkel bildeten zu beiden Seiten des Feuers. Die Neuen saßen auf dem Boden zwischen Lok und der Helle, und von den Köpfen glich keiner dem anderen. Sie liefen nach der Seite in Hörner aus oder spitzten sich zu wie ein Nadelbaum oder waren rund und dick. Jenseits des Feuers sah Lok den Haufen Stämme, der darauf wartete, verbrannt zu werden, und obgleich sie so schwer waren, schienen sie sich im Licht zu bewegen.
    Da röhrte auf einmal ganz unerklärlicherweise ein brünftiger Hirsch bei den Stämmen. Der Schrei war laut und wild und voller Schmerz und Begierde. Es war die Stimme des mächtigsten aller Hirsche, und die Welt war nicht groß genug für ihn. Fa und Lok hielten sich umklammert und starrten die Stämme an, ohne daß ihnen ein Bild erstand. Die Neuen bückten sich, so daß sich ihre Umrisse wandelten und ihre Köpfe verborgen waren. Der Hirsch erschien. Er sprang kraftvoll auf seinen zwei Hinterbeinen, und seine Vorderbeine waren auseinandergespreizt. Sein gehörnter Kopf, halb vom Laub verdeckt, schaute auf, an den Neuen vorbei, an Fa und Lok vorbei, und schwankte hin und her. Dann drehte er sich um, und sie sahen, daß sein Schwanz tot war und gegen die bleichen, haarlosen Beine schlug. Er hatte Hände. Da hörten sie in einer der Höhlen das Junge quäken. Lok hüpfte hinter dem Busch auf und nieder.
    »Liku!«
    Fa faßte ihm an den Mund und erstickte seine Stimme. Der Hirsch hörte auf zu tanzen. Dann rief Liku. »Hier bin ich, Lok! Hier bin ich!«
    Da entstand plötzlich ein Lärm aus Lachlaut, aufgescheuchtem Durcheinander und Zwitscherschrei, alle Stimmen riefen zur gleichen Zeit, und eine Frau kreischte. Das Feuer zischte auf und

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